Inland

Demokratie und Werte hoch im Kurs bei Geflüchteten

Die Mehrzahl der nach Deutschland Geflüchteten teilt hiesige Wertvorstellungen. Demokratie und Gleichberechtigung sind für die meisten wichtig. Das ergab eine Studie, die unter anderem das Bundesamt für Migration jetzt vorgestellt hat.
von Yvonne Holl · 15. November 2016
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Sie sind mehrheitlich für demokratische Strukturen, für Gleichberechtigung und dagegen, dass Religionsführer über Gesetze entscheiden: Eine neue Studie unter Geflüchteten zeigt, dass diese mit ihren Wertvorstellungen relativ nah an denen der deutschen Bevölkerung sind. „Die Überzeugungen sind eher ähnlich als grundverschieden“, erklärte Jürgen Schupp vom Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Soep hatte gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehr als 2300 Menschen befragt, die zwischen Januar 2013 und Januar 2016 nach Deutschland geflüchtet sind.

Auch die Experten waren von den Ergebnissen, vor allem im Bereich Wertevorstellung und Bildung, positiv überrascht.

96 Prozent für „demokratisches System“

So unterstützten immerhin 96 Prozent der Befragten die Aussage, dass „man ein demokratisches System“ haben sollte. Ebenso viele halten freie Wahlen für wichtig.

Spannend ist vor allem der Vergleich, was Deutsche zu diesen Fragen sagen und wie die Haltung im Herkunftsland ist. Da zeigt sich nämlich, dass die Menschen, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen sind, in ihrer Weltanschauung näher bei hiesigen Werten sind. Oft hingegen besteht eine Kluft zur Mehrheitsmeinung im Herkunftsland.

So fragten die Meinungsforscher, ob Religionsführer über Gesetze entscheiden sollen. 13 Prozent der Geflüchteten antwortete mit Ja. Das ist zwar ein höherer Wert als in Deutschland (8 Prozent), aber ein viel niedriger als in den Herkunftsländern, wo 55 Prozent auf eine solche Frage mit Ja antworteten.

„Offensichtlich findet eine Selektion statt“, sagte Schupp. Und: „Die Befragung zeigt, dass sich die Geflüchteten mit ihrem Zielland beschäftigt haben und dass das deutsche Normen- und Wertesystem ein wichtiger Grund für sie war, sich auf den Weg hierher zu machen“.

Mehrzahl der Geflüchteten für Gleichberechtigung

Auch beim Thema Gleichberechtigung sind die Unterschiede längst nicht so groß, wie von weiten Teilen der Bevölkerung vermutet. 92 Prozent sagten bei der Befragung, dass „gleiche Rechte von Männern und Frauen“ ein Bestandteil von Demokratien sind. Dass es zu Problemen führt, wenn die Frau mehr Geld verdient als der Mann, glauben 29 Prozent der Flüchtlinge und 18 Prozent der deutschen Bevölkerung.

Positiv werteten die Forscher auch die Ergebnisse im Bereich Bildung. 58 Prozent der Befragten haben mindestens zehn Jahre in der Schule, Hochschule oder einer Ausbildung gelernt. In Deutschland liegt der Anteil bei 88 Prozent. „Überraschend“ war für Herbert Brücker vom IAB „die große Bildungsbereitschaft“. Ein Viertel der Flüchtlinge will sich weiter qualifizieren, beinahe die Hälfte möchte in Deutschland einen höheren Schulabschluss erwerden. „Das heißt nicht, dass das alle machen“, so Brücker, aber es zeige die Bereitschaft. 

Fluchtursache Nr. 1 ist Krieg

Die Studie hat auch die Fluchtursachen und -wege abgefragt.  Demnach sind 70 Prozent der Menschen vor gewaltsamen Konflikten und Kriegen geflohen. An zweiter Stelle steht politische Verfolgung (44 Prozent). Die wirtschaftliche Situation im Herkunftsland spielte nur für 32 Prozent der Befragten eine Rolle.

Die Studie ist die erste ihrer Art unter ab 2013 eingereisten Flüchtlingen. Sie ist sehr umfangreich: Jedem Teilnehmer wurden rund 450 Fragen gestellt. Noch sind nicht alle Teile ausgewertet. In den nächsten Wochen wollen die Initiatoren weitere Umfrageteile – vor allem zum Bereich Familie und Kinder – vorstellen. Die Befragung soll nun einmal jährlich stattfinden, so dass über die Jahre Vergleiche gezogen werden können. Ziel ist es, Instrumente zur Integration, wie beispielsweise Sprachkurse, besser koordinieren zu können.

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Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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