Inland

„Daten sind die neue Währung“

Die Deutschen sind konservativ, auch an der Kasse: Während in vielen Ländern Bargeld als lästig erscheint, gehen hierzulande weiter Münzen und Scheine über den Ladentisch. Nach dem Willen einiger könnte sich bald ändern. Daten- und Verbraucherschützer warnen davor.
von Robert Kiesel · 19. Juni 2015
Schaden durch Steuerhinterziehung
Schaden durch Steuerhinterziehung

Wie brisant die Diskussion zum Thema bargeldloses Bezahlen wirklich ist, lässt sich an einer kleinen Anekdote erzählen. Der Hauptakteur heißt Peter Bofinger. Der Volkswirt und Mitglied des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, besser bekannt als Rat der Wirtschaftweisen, hatte im Herbst 2014 die Debatte über eine mögliche Abschaffung von Bargeld angefeuert. „Bargeld weg, elektronische Zahlung her, mehr Macht für die Notenbanken“, so die zugespitzte Forderung Bofingers. Heute hält sich Bofinger zu dem Thema bedeckt. „Zu viele negative Kommentare bis hin zu offenen Anfeindungen“, so seine knappe Aussage. Öffentlich möchte er sich in der Sache besser nicht mehr äußern.

Die Anekdote zeigt: Die Deutschen hängen an ihrem Bargeld, auch emotional. Im Jahr 2014 wurden 53 Prozent des nationalen Umsatzes für Waren und Dienstleistungen mit Bargeld beglichen, immerhin 80 Prozent aller Transaktionen wickelten die Deutschen bargeldlos ab. Dazu zählt dann aber auch die Überweisung der Miete oder die Handyrechnung. Eingekauft wird weiterhin mehrheitlich in bar.

Händler kostet jede einzelne Kartenzahlung Geld

„Der Durchschnittskunde ist bargeldgeprägt, wir müssen uns nach diesen Gewohnheiten richten“, erklärt dazu Ulrich Binnebößel vom Einzelhandelsverband Deutschland (HDE). Er beobachtet die derzeit laufende Diskussion aufmerksam, sieht in der schleichenden Abkehr vom Bargeld durchaus Vorteile. „Die Händler haben weniger Bargeld in der Kasse, die Versicherung wird dadurch günstiger“, so Binnebößel. Jedoch: „Diese Vorteile werden mit hohen Gebühren bezahlt.“ Händler müssen für jede Kartenzahlung einen vorher ausgehandelten Betrag an die jeweilige Bank des Kunden abtreten. Hinzu kommen Kosten für die Bereitstellung der Technik für elektronische Zahlungen per Karte oder Handy. Deshalb sei die Barzahlung aus Händlersicht das günstigste Zahlungsmittel, nach wie vor.

Die vergleichweise konservativen Zahlungsgewohnheiten der Deutschen, sie kommen dem Handel entgegen. Vielleicht auch deshalb gibt es laut Binnebößel in Deutschland noch immer rund 250000 Einzelhandelsgeschäfte ohne die Möglichkeit zur Kartenzahlung. In Schweden dagegen werden mittlerweile Gesetze auf den Weg gebracht, die Händler von der Pflicht zur Annahme von Bargeld entbinden. Dort kann theoretisch sogar das Obdachlosenmagazin bargeldlos bezahlt werden.

„Daten sind die neue Währung“

Eine Entwicklung, die Daten- und Verbraucherschützern Sorgen macht. Weil derzeit bei jeder bargeldlosen Zahlung, egal ob mit Karte oder dem Smartphone, Daten erhoben werden, können Bewegungs- und Konsum-, am Ende sogar Persönlichkeitsprofile erstellt werden. Diese sind für große Konzerne sprichwörtlich Gold wert. „Daten sind die neue Währung“, brachte Klaus Müller, Leiter des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, die aus seiner Sicht gefährliche Entwicklung auf den Punkt. Einen Gastbeitrag zum bargeldlosen Zahlen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schloss er mit dem Plädoyer: „Die rechtlichen Regelungen müssen mit den digitalen Innovationen Schritt halten, damit Datenschutz, Sicherheit und der allgemeine Zugang zum Handel in der schönen neuen Zahlungswelt nicht auf der Strecke bleiben.“

Dieser Position kann sich Johannes Fechner vorbehaltlos anschließen. Fechner leitet die Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion, auch dort stand das bargeldlose Zahlen bereits auf der Tagesordnung. „Der Datenschutz muss gewährleistet sein, das ist uns ein ganz großes Anliegen“, erklärt Fechner. Wer elektronisch oder im Internet bezahlt müsse darüber informiert werden, was mit seinen Daten geschehe, so der Abgeordnete. Eine Weitergabe von Kundendaten oder gar -Profilen dürfe es nicht geben. 

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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