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Das wollen junge Frauen in Deutschland

Was bewegt junge Frauen in Deutschland? Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist dieser Frage mit einer Studie nachgegangen. Sie zeichnet ein differenziertes Bild junger Frauen – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.
von · 3. August 2016
Junge Frauen
Junge Frauen

Schon im Jahr 2000 fragte sich Mel Gibson im gleichnamigen Film „Was Frauen wollen“. Eine definitive Antwort konnte der Film wohl nicht geben, denn auch im Sommer 2016 listet Google noch 5.650.000 Suchergebnisse zu diesem Thema auf. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ist der ewigen Frage nach den Wünschen der Frauen nun in einer Studie nachgegangen: „Was junge Frauen wollen“ heißt die und wurde von Carsten Wippermann vom DELAT-Institut für Sozial- und Ökologieforschung durchgeführt.

Milieuspezifische Interviews mit jungen Frauen

Für die repräsentative Studie hat Wippermann Gruppeninterviews mit Frauen zwischen 18 und 40 Jahren aus allen sozialen „Schichten“ und Milieus geführt. Insgesamt identifizierte der Wissenschaftler acht verschiedene Milieus mit jeweils spezifischen Charakteristika:

  • Etablierte: hoch qualifiziertes und ambitioniertes Establishment mit Erfolgsethik, Machbarkeitsdenken, Exklusivitätsansprüchen und Distinktionskultur
  • Postmaterielle: Vision von einem guten, gerechten, ganzheitlichen und ökologisch nachhaltigem Leben
  • Performer: selbstbewusste, effizienzorientierte, optimistisch-pragmatische junge Leistungselite
  • Konservative und Traditionelle: klare Vorstellung vom moralisch, sozial und emotional guten Familien- und Gemeinschaftsleben sowie von einer richtigen und funktionierenden Gesellschaft
  • Bürgerliche Mitte: leistungs- und anpassungsbereiter Mainstream
  • Benachteiligte: um Optimierung und Teilhabe bemühte Unterschicht
  • Hedonisten: spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht
  • Expeditive: unkonventionelle kreative Avantgarde

Die Ergebnisse dieser milieuspezifischen Interviews wurden um eine quantitativ-repräsentative Untersuchung ergänzt. Im Mittelpunkt der Studie stehen drei Fragen: Was wollen junge Frauen in Deutschland heute? Welche Einstellungen mit Blick auf die Gleichstellung der Geschlechter haben sie? Und: Was erwarten sie von der Familien- und Gleichstellungspolitik?

Dringendes Thema: Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Antworten fallen in den untersuchten Milieus durchaus unterschiedlich aus – es gibt aber auch zentrale Befunde, die sich mehr oder weniger in allen Milieus wiederfinden. Dazu gehören u.a. der Zusammenhang zwischen der Entgeltlücke und der Retraditionalisierung der Aufgabenteilung nach der Geburt von Kindern, die Forderung nach individueller Flexibilität von Arbeitszeit, täglichem Arbeitspensum und Arbeitsort sowie die Überzeugung, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland noch nicht realisiert ist. Kurz: Die sogenannte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist das, was die meisten jungen Frauen beschäftigt.

Interessant ist vor allem die Haltung junger Frauen zur Gleichstellungspolitik: Sie fordern, dass Gleichberechtigung in gleicher Wertigkeit Frauen und Männer in den Blick nehmen soll – eine Absage an die sogenannte Frauenförderung. Viele der befragten Frauen erkennen sogar Benachteiligungen bei Männern. Andererseits spielt das Thema Frauen in Führungspositionen in allen untersuchten Milieus eine große Rolle und weist eine hohe symbolische Bedeutung auf: Auch wenn die meisten Frauen von Frauenquoten in Führungspositionen nicht selbst betroffen sind, sehen sie diese als Zeichen dafür, wie ernsthaft die Politik bestrebt ist Benachteiligungen von hochqualifizierten Frauen zu beseitigen.

Verschiedene Erwartungen in verschiedenen Milieus

Ein Blick in die einzelnen Milieuanalysen lohnt, lassen sich hier doch teils sehr unterschiedliche Einstellungen und Erwartungshaltungen feststellen – besonders wenn es um die Frage geht, was Politik leisten kann und soll. So fordern die „Traditionellen und Konservativen“ vom Staat, die Interessen deutscher Familien zu schützen. Sie haben Angst vor „Entheimatung“ durch Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund. Die „Hedonisten“ hingegen haben kein großes Vertrauen in die Politik und politisches Handeln – diese haben für sie wenig mit ihrem eigenen Leben zu tun. Junge Mütter aus diesem Milieu fordern vom Staat vor allem finanzielle Unterstützung, z.B. in Form von höherem Elterngeld.

Die Studie stellt ausführlich die Werte und Lebensstile der einzelnen Milieus dar, wie sie zur Gleichstellung von Männern und Frauen stehen, wie sie ihre Zeit zwischen Erwerbsarbeit, Familie, Freizeit und sozialem Engagement aufteilen und welche Haltung sie zur Politik haben. So entsteht ein differenziertes Porträt junger Frauen heute in Deutschland. Die Frage danach, was junge Frauen wollen, kann die Studie zwar nicht abschließend beantworten. Sie bietet aber einen guten Überblick über die teils gemeinsamen, teils gegensätzlichen oder widersprüchlichen Einstellungen und Erwartungen – nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der acht untersuchten Milieus.

Die komplette Studie kann hier heruntergeladen werden.

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