Das will die SPD bei Steuern und Abgaben ändern
Deutschland steht derzeit ganz gut da, die Arbeitslosenquote ist niedrig, der Wirtschaft geht es gut, es gibt einen funktionierenden Sozialstaat. Trotzdem sagt die SPD, es muss gerechter werden. Wo gibt es Handlungsbedarf?
Der wichtigste Punkt ist eine größere Verteilungs- und Steuergerechtigkeit. Wir müssen dafür sorgen, dass Konzerne wie Starbucks genauso Steuern zahlen wie das familienbetriebene Café um die Ecke. Heute zahlt jeder Handwerker deutlich mehr Steuern und Abgaben als Apple oder Google, weil die sich arm rechnen. Das muss sich ändern.
Viele Menschen aus der Mittelschicht plagen Abstiegssorgen, besonders Familien stehen unter großem Druck. Wie wollen Sie Abhilfe schaffen?
Wir müssen die Kosten unseres Gemeinwesens gerechter verteilen. Niedrige und mittlere Einkommen leisten relativ gesehen Enormes, bei den höchsten Vermögen und Erbschaften ist noch Luft nach oben.
Sigmar Gabriel hat angekündigt, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Wie genau will die SPD das gestalten?
Wir sind derzeit mitten in den Beratungen. Reizvoll wäre eine Entlastung bei den Sozialabgaben, denn die berappen auch Leute mit kleinen Einkommen, die kaum Steuern zahlen. Aber natürlich sind auch Veränderungen bei den Steuern denkbar. Und wir müssen Familien mit Kindern besser fördern. Wir nehmen nicht nur einzelne Schräubchen im Steuersystem in den Blick, sondern Abgaben- und Steuergerechtigkeit als Ganzes.
Wie hoch wird die Entlastung ausfallen?
Ich sehe ein Entlastungspotenzial von mindestens 20 Milliarden Euro in der nächsten Legislaturperiode, aber nicht allein im Steuersystem. Wir wollen den Blick auf das große Ganze richten. Was bezahle ich und wovon profitiere ich dafür? Wenn Kitabeiträge gesenkt werden, ist die Entlastungswirkung für Familien beispielsweise größer als bei mancher Veränderung im Steuersystem.
Wie sollen diese Entlastungen finanziert werden?
Die Konservativen sagen: konjunkturelle Mehreinnahmen. Das ist Quatsch. Konjunkturelle Mehreinnahmen müssen für konjunkturelle Mehrausgaben wie Investitionen in die Infrastruktur und Bildung genutzt werden, damit beispielsweise Wirtschaft und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Digitalisierung erfolgreich bewältigen. Strukturelle Entlastungen bei den Steuern müssen dagegen auch strukturell gedeckt sein. Die Konservativen verschweigen, dass ihre „Entlastung“ bei den Steuern Kürzungen bei Leistungen des Staates bedeuten: Schwimmbäder, Bildungsinfrastruktur. Solche Kürzungen wollen wir nicht und Verschuldung ist auch keine Lösung. Das heißt, da, wo wir entlasten, muss es eine substanzielle Gegenfinanzierung geben.
Wie sieht diese Gegenfinanzierung aus?
Mehr Steuergerechtigkeit. Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne rauben dem Gemeinwesen enorme Beträge. Da müssen wir ran. Genauso wie beim Umsatzsteuerbetrug an Registrierkassen, weil Umsätze in Milliardenhöhe unterschlagen werden. Wenn Deutschland diesen Kampf endlich mit harten Bandagen führt, haben wir Spielräume für Entlastungen. Zudem wird es nur gehen, wenn diejenigen, die sehr viel haben, einen größeren Anteil an das Gemeinwesen abführen.
Indem die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird?
Groß-Vermögen besteuern ist eine Möglichkeit. Andere wären: weniger Ausnahmen für Unternehmen bei der Erbschaftssteuer oder die höchsten Einkommen über die Einkommenssteuer stärker beteiligen. Welchen Weg wir gehen, ist noch offen. Aber ohne Beitrag der höchsten Einkommen und Vermögen sehe ich nicht, wie wir eine strukturelle Entlastung erreichen sollen.
Mehr in die Zukunft geblickt: Was ist mit dem Ehegattensplitting? Das ist eine Art heilige Kuh im deutschen Steuerrecht. Gibt es Pläne, das zu verändern?
Ich bin der Auffassung, dass wir nicht Trauscheine, sondern Kinder finanziell stärker fördern sollten. Deshalb will ich eine Modernisierung des Ehegattensplittings hin zu einem Familiensplitting. Dabei sollten wir niemanden etwas wegnehmen. Wer bisher vom Ehegattensplitting profitiert, für den würde sich nichts ändern.
Die neuen Bildungspläne der SPD, etwa ein Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung oder das Schulbauprogramm des Bundes werden viel Geld kosten.
Wie will die SPD das bezahlen?
Bildung ist die beste Förderung und Unterstützung von Menschen und damit auch die direkteste Investition in die Zukunft unseres Landes. Genau dafür müssen bei guter Konjunktur die Mittel eingesetzt werden. Manche tragen die schwarze Null vor sich her, als wäre sie ein Glaubensgrundsatz. Aber es bleibt dabei: Artikel 1 des Grundgesetzes lautet nicht, die Würde der schwarzen Null ist unantastbar, sondern die Würde des Menschen ist unantastbar.