Inland

Das war wirklich der Gipfel

von Uwe-Karsten Heye · 11. Juni 2010
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Die Länder wollen zwar beim Ziel bleiben, zehn Prozent des Bruttosozialprodukts eines fernen schönen Tages für Bildung und Hochschulen bereit zu halten. Aber bis wann, darauf wollte man sich jedenfalls nicht festlegen. Immerhin, man bleibt im Gespräch.

Dass sich auf keinem der Gesichter nach Ende des Gesprächs Schamröte feststellen lassen konnte, zeigt nur, wie wenig diese Herrenpartie mit drei Damen noch von der Wirklichkeit im Lande weiß. Das Schulsystem, ausdrücklich bei den Ländern verortet und dort verantwortet, ist aus den Fugen geraten. Die tiefe Spaltung der Gesellschaft führt dazu, dass die Schule, die noch nie nur ein Lernort war, längst so etwas wie Eltern- und Erziehungsersatz für eine wachsende Zahl von Schülern geworden ist.

Bildungsprivilegien für die eigene Klientel

So etwas wäre nur in einer Ganztagsschule mit Sozialarbeitern, Schulpsychologen und einer ausreichenden Zahl von Lehrern zu leisten. Ganztagsschulen aber, die den Namen verdienen und die über eine ordentliche Küche und eine Mensa verfügen. Schulen also, die den Jugendlichen und Kindern über den Tag Zuwendung und Anregung geben. Das ist vor allem für jene wichtig, die so etwas zu Hause vermissen. Der soziale Druck lässt aber auch in vielen Familien eine psychische Belastung wachsen, wie sich an der Volkskrankheit Depression ablesen lässt.

Die Schule von gestern war gänzlich anders als Schulen heute sein müssen. Das gilt erst recht, weil unsere Gegenwart dazu noch globalen Prozessen wachsender Ausbeutung und minimaler Bezahlung für maximale Arbeitsleistung ausgesetzt ist. Die gleiche konservative Mehrheit in der Politik, die ein Sparpaket unter Aussparung jeglicher Beteiligung von Reichen und Superreichen auf den Weg bringt und die es wagt, dafür Vokabeln wie "sozial ausgeglichen" in den Mund zu nehmen, die gleiche Mehrheit ist es auch, die jetzt die Bildungsprivilegien ihrer Wählerklientel mit Zähnen und Klauen verteidigt.

So hatte denn auch dieser Bildungsgipfel ein deutliches Ergebnis: Oben bleibt oben, und unten bleibt unten. Und die Zahl der zur Zeit 2,5 Millionen Jugendlichen, denen "Bildungsferne" attestiert wird, wird weiter wachsen. Da sich ja nun an den Grundfesten nichts verbessern soll, wird sich dieser skandalöse Trend fortsetzten, und wir können uns schon mal auf weitere 80.000 bis 100.000 Jugendliche ohne Schulabschluss pro Jahr einstellen. Womit auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen zuverlässig weiter steigen wird. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Der Zorn wird auf die Straße gelangen.

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Autor*in
Uwe-Karsten Heye

War vorwärts-Chefredakteur von 2006-2010 und ehemaliger Regierungssprecher der Bundesregierung.

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