Das soll im Infektionsschutzgesetz zu Lockdown und Notbremse stehen
Dirk Bleicker
Ab welcher Uhrzeit soll eine Ausgangssperre gelten, wann soll die Notbremse gezogen werden – die unterschiedlichen Auslegung und Interpretation von Regeln und Vereinbarungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie sorgte in den vergangenen Wochen für viel Verdruss und Streit in der Gesellschaft und der Politik. Jetzt haben sich Bundesregierung und Bundesländer auf eine Veränderung des Infektionsschutzgesetzes geeinigt. In dem Bundesgesetz sollen nun Regeln zu Ausgangssperren und der zuvor vereinbarten Notbremse vereinheitlicht und verbindlich festgeschrieben werden. Dem Vernehmen nach sollen sie bereits in der kommenden Woche beschlossen werden.
Notbremse per Gesetz
„Es ist wichtig, dass die Regeln einheitlich gelten“, betonte Vizekanzler Olaf Scholz am Freitagmittag mit Blick auf den im März vereinbarten Stufenplan für Lockerungen und Verschärfungen der Corona-Maßnahmen. Damals hatten Bund und Länder sich darauf geeinigt, eine Notbremse zu ziehen und Lockerungen wieder zurückzunehmen, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz die 100 überschreitet. Das ist inzwischen in einigen Bundesländern der Fall, trotzdem blieb aber teilweise der Einzelhandel weiter geöffnet. Bei einer Inzidenz von 200 soll auch der Distanzunterricht in Schulen wieder verpflichtend sein, fällt die Inzidenz unter 100 gelten die von der Ministerpräsident*innenkonferenz getroffenen Regeln fort – und damit auch die Zuständigkeit der Länder.
Ebenso soll es für Ausgangssperren – so sie im Rahmen der Bekämpfung der Coronapandemie verhängt werden – einheitliche Regeln geben. SPD-Kanzlerkandidat Scholz kritisierte in dem Zusammenhang vor allem die unterschiedlichen Uhrzeiten in den Bundesländern, ab wann eine Ausgangssperre greift. „Das einheitlich zu regeln macht absolut Sinn“, erklärte der Vizekanzler weiter. Es gebe den Menschen eine klare Orientierung, die Weiterentwicklung des Infektionsschutzgesetz sei ein notwendiger Schritt. Transparente Regeln würden den Menschen Orientierung geben.
Scholz sieht Zustimmung bei Bundesländern
Damit verlassen die getroffenen Vereinbarungen zunächst den Rahmen der Bund-Länder-Konferenzen und sollen erstmals einheitlich auf Bundesebene per Gesetz geregelt werden. Allerdings muss der Änderung des Infektionsschutzgesetzes sowohl im Bundestag als auch noch im Bundesrat zugestimmt werden. Trotz einer Einigung dürfte es also auch noch ein paar Tage dauern, bis die Novelle tatsächlich umgesetzt wird. Für eine Zustimmung sieht Scholz allerdings neben den SPD-regierten Bundesländern auch die übrigen Ministerpräsident*innen an Bord: „Wir haben alle gemeinsam das Gefühl, dass es Sinn macht, das bundeseinheitlich festzulegen.“ Dann müsse man darüber auch nicht alle zwei Wochen wieder neu verhandeln. „Dann muss auch nicht jeden Tag jemand ein neues Interview geben, um zu verkünden, was als nächstes zu tun ist“, so Scholz.
Parallel dazu warb Scholz am Freitag für umfangreiche Testangebote und machte sich auch wieder für ein verpflichtendes Testangebot in den Unternehmen stark. „Ich bin dafür, dass auch in Unternehmen mehr getestet wird.“ Dass rund 60 Prozent der Unternehmen nach jüngsten Angaben ihren Mitarbeiter*innen regelmäßige Schnell- oder Selbsttests anbieten, reicht dem Sozialdemokraten nicht aus. Damit positioniert sich der Finanzminister auch gegen den Wirtschaftsminister von der CDU, Peter Altmaier, der sich nach wie vor gegen ein verbindliches Angebot von der Arbeitgeber*innenseite wehrt. „Wir haben uns darauf verständigt, dass es mindestens 90 Prozent sein sollen“, erinnerte er an eine Aussage der Bundeskanzlerin im März.
Dirk Wiese, SPD-Bundestagsfraktionsvize, erinnerte am Freitag außerdem daran, dass bisher weitergehende Änderungen im Infektionsschutzgesetz am Widerstand der Union und insbesondere Angela Merkel gescheitert waren. Die SPD-Fraktion habe bereits im November angemerkt, dass in dem Gesetz mehr bundeseinheitlich geregelt werden sollte, so Wiese im rbb-Inforadio. Das sei bis zum Auftritt der Kanzlerin bei Anne Will aber immer an der Blockade der Union gescheitert, so Wiese weiter, „dabei haben bundeseinheitliche Regeln da durchaus einen Mehrwert.“ Was der Sozialdemokrat darunter konkret versteht, hatte er schon Ende März im Gespräch erklärt.
Testpflicht bleibt Zankapfel der Koalition
Andererseits griff Finanzminister Scholz am Freitag auch eine Forderung von Fraktion und Parteispitze auf: Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmer*innen regelmäßige Corona-Tests anzubieten. Während Wirtschaftsminister Altmaier in dem Feld weiterhin bremst, kündigte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schon an, eine entsprechende Verordnung zu erarbeiten und im Kabinett zur Abstimmung stellen zu wollen.