Seit 50 Jahren können junge Menschen mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr in das Arbeitsleben hineinschnuppern, bevor sie sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) spricht von einer Erfolgsgeschichte, fordert aber Nachbesserungen.
Es kann eine Überbrückung sein für die Wartezeit vor dem Studium. Oder ein Test, ob einem ein Beruf liegt oder nicht. Manche absolvieren es auch einfach nur, um ein Jahr lang etwas Gutes zu tun. Das Freiwillige Soziales Jahr (FSJ) gibt jungen Menschen zwischen 16 und 27 Jahren die Möglichkeit, bis zu zwölf Monate in einer sozialen Einrichtung zu arbeiten. Zwischen 150 und 330 Euro Taschengeld bekommen die Freiwilligen dafür. Viel ist es nicht, doch das schreckt die Bewerber nicht ab. Knapp 50.000 junge Menschen absolvieren derzeit ein FSJ. Bewerber gibt es regelmäßig doppelt so viele wie offene Stellen.
„Das Freiwilligenjahr ist ein Gewinn für alle“, meint der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Rudolf Seiters. Den Freiwilligen helfe es, weil es ihre persönliche und berufliche Entwicklung fördere. Der Gesellschaft nutze es, weil 60 Prozent aller Freiwilligen auch nach ihrem FSJ ehrenamtlich arbeiteten, wie eine Studie ergeben habe. Und auch Institutionen wie das DRK selbst profitieren laut Seiters von dem FSJ. Denn für sie ist es eine Möglichkeit, Nachwuchs für soziale Berufe zu gewinnen.
Das ist aus Sicht des DRK auch dringend notwendig, insbesondere im Pflegebereich. Denn die Gesellschaft altert. In den kommenden Jahrzehnten werden in Deutschland Prognosen zufolge 800 000 neue Pflegekräfte benötigt. „Viele entscheiden sich nach einem Freiwilligenjahr beispielsweise für die Aufnahme einer Pflegeausbildung oder eines Studiums im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales“, sagt Seiters.
Ein breites Spektrum
Eingeführt wurde das FSJ am 1. April 1964 durch ein Bundesgesetz. Es legt fest, dass der Bund das Freiwilligenjahr zwar finanziell fördert, für die Umsetzung aber die Träger selbst verantwortlich sind. Mittlerweile beschränkt sich das Freiwillige Jahr nicht nur auf die klassischen sozialen Berufe wie Altenpflege oder Kinder- und Jugendarbeit. Seit 1993 gibt es auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Und 2002 wurde das Spektrum um die Einsatzfelder „Sport“ und „Kultur“ erweitert.
Davon profitiert hat zum Beispiel Jakob Eichhorn. Der 19-Jährige absolviert ein FSJ Kultur und arbeitet im Anne Frank-Zentrum Berlin. Unter anderem betreut er dort Jugendliche aus ganz Deutschland, die sich mit Wanderausstellungen über Anne Frank auseinandersetzen und dann eigenständig Gleichaltrige durch diese Ausstellungen führen. Dafür bekommt er ein Taschengeld von knapp 300 Euro. „Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, sind unbezahlbar“, betont Eichhorn.
Nach dem Abitur wollte Eichhorn erst einmal praktische Erfahrungen sammeln und „nicht schon wieder direkt die Schulbank drücken“, wie er erzählt. Dass ihm die Vermittlung von Geschichte Spaß machen könnte, hat er schon vor dem FSJ geahnt. Nun weiß er es. Wenn das Jahr vorbei ist, will er Geschichte studieren.
Zu wenige Freiwillige mit Hauptschulabschluss
Obwohl DRK-Präsident Rudolf Seiters das FSJ „eine Erfolgsgeschichte“ nennt, würde er einiges gerne noch verbessern. „Junge Menschen mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss sind in den Freiwilligendiensten deutlich unterrepräsentiert“, sagt Seiters. Sie machten nur neun Prozent aller FSJler aus. Gerade sie würden aber von den Lernmöglichkeiten eines Freiwilligenjahres enorm profitieren.
Deshalb will Seiters junge Menschen mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss noch gezielter für ein FSJ werben. Und er wünscht sich von der Bundesregierung zusätzliche finanzielle Mittel, um diese Jugendliche im FSJ stärker fördern zu können. „Wir fordern daher, dass schon ein fehlender oder niedriger Schulabschluss als Nachweis für den besonderen Förderungsbedarf ausreicht.“
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.