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Das muss die Bundeswehr im Umgang mit Rechtsradikalismus anders machen

Die Bundeswehr muss mehr tun gegen rechtsradikale Tendenzen, sagt Dominik Wullers (SPD), Vizechef von Deutscher Soldat e.V, einem Zusammenschluss von Soldaten mit Migrationshintergrund. So dürften die Leistungen der Wehrmacht nicht von ihren Verbrechen getrennt werden. Auch die Offiziersausbildung müsse reformiert werden.
von Lars Haferkamp · 16. Mai 2017
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Herr Wullers*, seit Wochen tobt eine Auseinandersetzung darüber, welche Rolle Rechtsradikalismus in der Bundeswehr spielt. Was ist Ihre Einschätzung?

Es gibt auf jeden Fall Rechtsextreme in der Bundeswehr, dafür gab es ja in den letzten Wochen traurige Beispiele. In meinen bisher 14 Jahren bei der Bundeswehr habe ich aber selber keinerlei strukturellen Rassismus oder Rechtsradikalismus erlebt. Im Gegenteil, ich habe eher eine sehr enge Kameradschaft und ein Zuhause gefunden.

Würden Sie also von einem relevanten Problem sprechen oder halten Sie das Thema für aufgebauscht?

Es ist beides: Es ist ein relevantes Problem, aber es ist auch aufgebauscht. Die Streitkräfte dürfen sich nicht damit begnügen, zu sagen: „Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft und da es in der Gesellschaft Rechte gibt, gibt es auch bei uns Rechte.“ Da müssen die Streitkräfte einen höheren Anspruch an sich selbst haben. In den Medien schreiben allerdings sehr viele über die Bundeswehr, die bestenfalls vor einigen Jahrzehnten mal Wehrdienst geleistet haben, aber sonst keine militärische Erfahrung haben. Dieser braune Sumpf von dem dort die Rede ist, hat nichts mit der echten Bundeswehr zu tun. Es hat sich in der Bundeswehr viel getan in den letzten Jahren in puncto Vielfalt.

Soldaten mit Migrationshintergrund, die Sie vertreten, sind selbst Opfer von rechter Gesinnung und rassistischer Diskriminierung in der Bundeswehr. Was haben Sie und Ihre Kameraden hier erlebt?

Der Gründungsimpuls unserer Organisation war, den deutschen Soldaten als Symbol für erfolgreiche Integration zu verstehen. Das mag einige überraschen, aber unsere Erfahrung als Soldaten mit Migrationshintergrund ist: Wir haben uns in der Kaserne eigentlich immer wohler gefühlt als außerhalb. Die Rassismen in der Gesellschaft ist nach unserer Wahrnehmung viel eklatanter als in den Streitkräften. Bei der Bundeswehr kommt man sich schnell näher, etwa im Wald bei Regen und Schlamm, man ist aufeinander angewiesen. Keine andere Institution bringt derart unterschiedliche Menschen so schnell zusammen.

Der Rassismus in der Bundeswehr ist also kleiner als in der Gesamtgesellschaft?

Ja, das ist meine Erfahrung. Was ich allerdings auch erlebe: Die Angehörigen der Bundeswehr sind in der Regel deutlich konservativer als die Gesellschaft. Das hat aber nichts mit Rechtsradikalismus zu tun.

Im Verteidigungsausschuss des Bundestages wurde kritisiert, dass es in der Bundeswehr eine mangelnde Kultur gebe, Fehlentwicklungen offen anzusprechen. Was muss sich hier ändern?

Es gibt in der Bundeswehr zu viele, die versuchen die militärischen Leistungen der Wehrmacht zu trennen von den Kriegsverbrechen. Das ist nicht möglich, beides hängt und gehört zusammen. Das muss die Bundeswehrführung stärker klar machen.

Ministerin von der Leyen wird von vielen Seiten, auch von Vertretern der Soldaten, vorgeworfen, das Problem erst ignoriert zu haben und nun auf die Soldaten abzuwälzen. Können Sie diese Kritik verstehen?

Ja, klar kann ich die Kritik verstehen. Die Generalschelte der Ministerin an der Bundeswehr war unfair und unberechtigt. Gegen ihre pauschale Kritik gab es mit Recht viel Empörung in der Truppe. Auf der anderen Seite macht Frau von der Leyen in den Streitkräften durchaus eine moderne Politik.

Was genau meinen Sie?

Wenn die Ministerin sich für mehr Toleranz und Akzeptanz gegenüber sexueller Vielfalt und Minderheiten in der Bundeswehr ausspricht, dann ist das doch ein ursozialdemokratisches Thema. Unser Verein engagiert sich für ein Bundeswehr-Diversity Management. Die SPD kämpft seit über 150 Jahren gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit, das ist ein Kernanliegen der Sozialdemokratie. Da fand ich es als Sozialdemokrat traurig, dass sich ausgerechnet ein SPD-Bundestagsabgeordneter über das Thema sexuelle Vielfalt und Diversität in der Bundeswehr öffentlich lustig gemacht und es kritisiert hat, statt es zu unterstützen, so wie es die Programmatik der SPD auch vorsieht.

Einige Verteidigungsexperten sagen, der Wegfall der Wehrpflicht habe das Problem des Rechtsradikalismus in der Bundeswehr verschärft. Sehen Sie das auch so?

Nein. Der Wegfall der Wehrpflicht hat die Probleme der Bundeswehr, geeignetes Personal zu finden, verschärft. Mit der Frage des Rechtsradikalismus hat er meiner Meinung nach nichts zu tun. Der aktuell diskutierte Fall dreht sich ja um zwei Heeresoffiziere. Es geht nicht um junge Männer im Wehrpflichtalter. Hier ist die geänderte Offiziersausbildung im Heer zu kritisieren. Es gibt während der sechsjährigen Offiziersausbildung viel zu wenig Kontakte zur Truppe. Die schmoren sozusagen im eigenen Saft und begegnen nur noch sich selbst. Das ist nicht gut und befördert solche Fälle wie den aktuellen.

* Dr. Dominik Wullers (SPD) ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Deutscher Soldat e.V., einem Zusammenschluss von deutschen Offizieren und Offizieranwärtern mit und ohne Migrationshintergrund.

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