Am Donnerstag haben sich das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten auf die Regeln zur Abwicklung von Krisenbanken geeinigt. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider begrüßt den Kompromiss und ist dennoch skeptisch, ob der Entwurf noch vor den Europawahlen verabschiedet wird.
vorwärts.de: Die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich nach 16-stündiger Verhandlung auf einen provisorischen Kompromiss zur Bankenunion geeinigt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Der jetzige Kompromiss ist ein deutlicher Fortschritt zum status quo. Bisher gibt es keine Möglichkeit große grenzüberschreitende Banken abzuwickeln. Für diese Banken besteht deshalb eine implizite Staatsgarantie, das bedeutet, sie sind zu groß und es ist zu teuer, sie pleitegehen lassen zu können. Die Kosten müssten im Zweifelsfall immer wieder von den Staaten, also den Steuerzahlern, getragen werden. Jetzt wird eine europäische Abwicklungsbehörde für alle Banken geschaffen, so dass auch diese großen Banken beherrschbar werden und die Steuerzahler in Europa vor Verlusten geschützt werden.
Wovon haben Großbanken bisher profitiert?
Bisher haben Großbanken von der impliziten Staatsgarantie profitiert. Jeder wusste, dass er, wenn er hier investiert, sein Geld wieder bekommt, weil da ein Staat dahinter steht, der die Bank im Zweifelsfall stützt. Diese implizite Staatsgarantie bedeutet beispielsweise für die Deutsche Bank einen Vorteil bei ihrer Refinanzierung von rund 2 Milliarden Euro im Jahr.
Sie haben unter anderem den Übergangszeitraum für den Fonds von zehn Jahren als viel zu lang kritisiert. Der jetzige Kompromiss sieht acht Jahre vor. Reicht Ihnen das?
Wir finden uns bei dem jetzigen Kompromiss grundsätzlich wieder, auch wenn die Übergangszeit in der Tat relativ lang ist. Zunächst war ja sogar ein Aufbau des Fonds von zehn Jahren geplant. Durch die Verkürzung auf acht Jahre ist der Fonds schneller handlungsfähig. Auch mit dem Prozess selbst bin ich zufrieden: Wir haben bei der Bankenunion jetzt insgesamt ein Jahr von der Entscheidung bis zur Gesetzgebung gebraucht. Angesichts dessen, wie lange europäische Prozesse sonst dauern, kann ich damit gut leben.
Die Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Europaparlament sollen außergewöhnlich zäh verlaufen sein. War das schon dem Europa-Wahlkampf geschuldet?
Nein, das liegt an den unterschiedlichen Interessenslagen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten sowie zwischen dem Europäischen Parlament und dem Finanzministerrat. Bundesfinanzminister Schäuble beispielsweise wollte in der schwarz-gelben Koalition keinen Europäischen Bankenabwicklungsfonds, sondern ein Netzwerk nationaler Fonds. Dadurch wäre aber das Problem der Staatshaftung für Banken nicht gelöst worden.
Durch den Eintritt der Sozialdemokraten in die Regierung hat sich die deutsche Position verändert. Eine knallharte Gläubigerbeteilung war für uns Bedingung. Das bedeutet, wenn eine Bank pleite geht, steht nicht mehr der Steuerzahler an erster Stelle, um die Aktionäre rauszuhauen. Sondern sie haften zuerst, dann die weiteren Gläubiger und dann die Bank selbst und erst ganz zum Schluss der Steuerzahler. Damit wurde die Haftungskaskade komplett umgedreht.
Was sagt der jetzige Kompromiss auch über das Machtverhältnis zwischen den EU-Finanzministern und dem Europaparlament aus?
Es zeigt zumindest, dass das Europaparlament seine in den vergangen Jahre hinzugewonnenen Rechte nutzt und eine wichtige Rolle spielt. Aber es spielt noch nicht die Hauptrolle, sondern wir als nationale Parlamente haben da noch sehr viel mitzubestimmen.
Einfluss, den wir auch gelten machen müssen, etwa bei der Höhe der Bankenabgabe. Die wird erhöht werden und die Banken werden mehr einzahlen müssen als das bisher nach deutschem Recht der Fall ist. Da wird es wahrscheinlich zu einer Verdoppelung oder sogar Verdreifachung der Bankenabgabe kommen. Der Entwurf der Kommission, welche Bank wie viel zahlt, liegt aber noch nicht vor. Wir wollen, dass die Banken, die ein riskantes Geschäft haben, mehr zahlen als Sparkassen und Volksbanken. Wir müssen auch wissen, ob die Summe insgesamt reicht, um diesen Fonds mit 55 Milliarden in acht Jahren zu füllen. Das ist die Bedingung dafür, dass wir im Bundestag überhaupt dieser Ratifizierung zustimmen.
Rechnen Sie denn damit, dass der Entwurf bis zum dem Europawahlen im Mai verabschiedet ist?
Das weiß ich nicht. Das liegt an der Kommission, die schon längst hätte liefern müssen, das aber noch nicht getan hat. Das macht mich eher bösgläubig. Deswegen sage ich auch ganz klar, dass wir im Bundestag erst zustimmen werden, wenn ich auch sicher sein kann, dass durch diese Bankenabgabe ausreichende Einnahmen in den Abwicklungsfonds fließen.