„Das Ergebnis der Bundestagswahl ist für jeden Demokraten in Sachsen eine Katastrophe.“
Goetz Schleser
Die AfD ist bei der Bundestagswahl in Sachsen stärkste Partei geworden. Wie erklären Sie sich das?
Das Ergebnis der Bundestagswahl ist für jeden Demokraten in Sachsen eine Katastrophe. Woran es konkret gelegen hat, dass die AfD hier stärkste Kraft geworden ist und drei Direktmandate geholt hat, werden wir in den kommenden Wochen analysieren. Klar ist, dass es nicht den einen Grund gibt. Die Menschen in Ostdeutschland haben vielfach das Gefühl, nur zweite Klasse zu sein. Das äußert sich etwa in den Löhnen, die hier noch immer deutlich geringer sind als in Westdeutschland. Mit unserer Ministerin Petra Köpping hat die sächsische SPD deshalb auch das Thema Nachwende-Ungerechtigkeiten aufgegriffen, auch weil diese aus unserer Sicht ein Teil des Erfolgs der AfD sind. Ein weiterer Aspekt ist die Rolle der CDU. Wenn ich mir ansehe, dass vor allem in Sachsen und in Bayern die CDU bzw. die CSU Wähler an die AfD verloren hat, zeigt sich, dass sich die fehlende Abgrenzung dieser beiden konservativen Landesverbände nach rechts in keiner Weise ausgezahlt hat, sondern AfD zu wählen etwas scheinbar Normales geworden ist. Die CDU trägt also sicher ihren Teil dazu bei, dass die AfD in Sachsen derart stark geworden ist – und sie nun sogar überflügelt. Vollkommen falsch wäre es aber, diejenigen, die die AfD gewählt haben, als Nazis zu beschimpfen.
Der sächsischen CDU wird schon länger vorgeworfen, die Gefahr von rechts zu verharmlosen. Könnte das starke AfD-Ergebnis da ein Weckruf sein?
Das Ergebnis der AfD wird auf jeden Fall zu Unruhe in der sächsischen CDU führen. Damit ist nämlich jetzt klar, dass auch in den konservativen Regionen Sachsens manch ein CDU-Abgeordneter um sein sicher geglaubtes Direktmandat fürchten muss, auch bei der nächsten Landtagswahl. Die Frage wird sein, ob die CDU die richtigen Schlüsse aus dem Ergebnis zieht. Es rächt sich jetzt, dass die CDU in Sachsen noch immer keine klare Haltung gegen rechts gefunden hat.
Die SPD vertritt diese Haltung, ist mit 10,5 Prozent der Stimmen aber nur vierstärkste Kraft geworden. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Dieses Ergebnis ist für uns sehr sehr bitter. Die SPD Sachsen fordert ja schon länger, dass wir mehr auf Ostdeutschland und die spezifischen Probleme hier gucken müssen. Ostdeutschland muss viel stärker Thema innerhalb der SPD werden. Martin Schulz hat während des Wahlkampfs immer wieder seinen Respekt vor ostdeutschen Biografien bekundet. Das sollten wir konsequent fortsetzen und diesen Worten auch Taten folgen lassen. Auch das Thema Gerechtigkeit, mit dem Martin Schulz in den Wahlkampf gezogen ist und das von den Medien belächelt wurde, wird ein ganz entscheidendes sein. Konkret geht es um den Kampf gegen Altersarmut, um die Höhe der Renten und um gerechte Löhne. Da wird die SPD präsent bleiben und den Kopf sicher nicht in den Sand stecken. Es geht jetzt darum, Haltung zu zeigen – für unsere Themen und gegen die Neofaschisten, die es in der AfD zahlreich gibt.
Welche Rolle spielt politische Bildung im Kampf gegen rechts?
Eine ganz entscheidende! Sachsen ist Schlusslicht, was die politische Bildung angeht. Die SPD kritisiert das auch seit vielen Jahren, und es uns gelingt uns Stück für Stück unseren Koalitionspartner zum Handeln in diesem Bereich zu bewegen. Die SPD-Landtagsfraktion hat dazu erst vor kurzem ein entsprechendes Papier verfasst. Mit mehr politischer Bildung werden nicht alle Probleme gelöst, aber sie ist ein wichtiger Baustein für ein demokratischeres Sachsen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.