Mit dem diesjährigen Datenreport zur sozialen Lage in Deutschland wird deutlich, dass vor allem junge und ältere Arbeitnehmer sowie Frauen aller Altersgruppen nicht mehr von ihrem Verdienst leben können. Es wird auch deutlich, dass die Anzahl der Menschen in dauerhafter Armut zugenommen hat.
Laut Report hat es in Deutschland noch nie so viele Erwerbstätige wie heute gegeben. Im September 2013 wurde erstmals die 42 Millionen-Marke überschritten. Fakt ist auch, dass das Arbeitsvolumen während der vergangenen 20 Jahre gesunken ist. Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit, womit die Anzahl der Arbeitsstunden abnimmt. Diese Arbeitsverhältnisse führten dazu, dass Viele nicht mehr angemessen von ihren Verdiensten leben können. Die Zahl armutsgefährdeter Personen ist seit der Wiedervereinigung kontinuierlich gestiegen.
Einmal arm, immer arm?
„Seit der Wende gab es noch nie so viele Beschäftigte, aber „Jobwunder“ heißt nicht automatisch Wohlstand“, mahnte der Präsident des Statistischen Bundesamtes Roderich Egeler bei der Vorstellung des Reports in Berlin. Die Ausweitung so genannter atypischer Arbeitsverhältnisse habe einerseits einer großen Anzahl von Menschen ermöglicht, am Arbeitsleben teilzuhaben. Andererseits seien diese aber mit geringeren sozialen Absicherungen und einem niedrigen Einkommen verbunden, fügte Egeler hinzu. Zu atypischen Beschäftigungen zählten befristete Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung unter 21 Wochenstunden, geringfügige Beschäftigung und Zeit- sowie Leiharbeit. 2012 wären etwa 22 Prozent der Erwerbstätigen in solchen Verhältnissen gewesen – vor allem Frauen und Arbeitseinsteiger.
Neben dem erhöhten Armutsrisiko von Frauen, sind besonders die 18- bis 24-Jährigen und 55- bis 64-Jährigen betroffen. Die Studie weist auf, dass dauerhafte Armut zugenommen hat. „Die Ergebnisse zeigen, dass fast 81 Prozent der Personen, die 2011 unter der Armutsgefährdungsquote lagen, bereits in den vier Jahren zuvor mindestens einmal von Armut betroffen waren“, sagte Roland Habich, Leiter des Zentralen Datenmanagements des WZB. Als arm gelte, wer weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung habe.
Auch die Altersarmut wachse. „Lediglich die Ansprüche der oberen Gruppen verbleiben im langfristigen Vergleich auf gleichem Niveau. Die Ansprüche der darunterliegenden Gruppen sinken langfristig“, fügte Habich hinzu.
Arme sterben früher
Die Auswirkungen vom Leben an der Armutsgrenze sind vielschichtig. „Wer in Deutschland von Armut betroffen ist, kämpft nicht ums Überleben. Er befindet sich in einer Situation wirtschaftlichen Mangels, die verhindert, ein „angemessenes“ Leben zu führen“, beschrieb der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger. Armut treffe meistens die Schwächsten der Gesellschaft. Zwar sei zum Beispiel die Kinderarmut in den vergangenen Jahren tendenziell zurückgegangen, aber man müsse ein Alarmsignal setzen, wenn eine reiche Gesellschaft sich Kinderarmut leiste, kritisierte Krüger.
Außerdem sei Bildung ein Schlüssel für soziale Mobilität und Mittel gegen Armut. Menschen ohne Schulabschluss oder mit Migrationshintergrund müsse ein besseres lebenslanges Lernangebot zur Verfügung stehen. Falls die Politik solche Maßnahmen vernachlässige, stünden immer mehr Personen im Abseits, könnten sich immer weniger politisch und gesellschaftlich engagieren, so Krüger.
„Mit niedrigem Einkommen und einem Leben unterhalb der Armutsgrenze sind weitgehende und nachhaltige Beeinträchtigungen im Gesundheitszustand verbunden“, stimmte Habich zu. „Armut vernichtet gewissermaßen Lebenschancen.“ Psychische und physische Belastungen bei Armutsgefährdeten führten zu einer geringeren Lebenserwartung.
Der Datenreport, der 2013 zum 14. Mal erscheint, dient als Sozialbericht für die Bundesrepublik. Er wurde vom Statistischen Bundesamt (Destatis) und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) herausgegeben. Redaktionell war zudem die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) verantwortlich.