Inland

Das 36-seitige Hausaufgabenheft der Bundesregierung

von Sarah Schönewolf · 20. August 2014
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Eine Skizze sei sie, ein Entwurf, kein Maßnahmenpaket: die Digitale Agenda der Bundesregierung. Am Mittwoch hat das Kabinett sie verabschiedet.

„Besser spät als nie“ antwortet Innenminister Thomas de Maiziere auf die Frage eines Journalisten, ob es nicht peinlich sei erst im Jahre 2014 die erste Digitale Agenda der Bundesregierung vorzulegen. Ein Meisterstück ist die 36 Seiten umfassende Agenda nicht, trotz der „exzellenten Zusammenarbeit“ zwischen den zuständigen Ministerien, „ohne Ressort-Egoismen“, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel betont. Aber dieses Ziel hatten die Bundesminister für Wirtschaft und Energie, des Innern und für Verkehr und digitale Infrastruktur sich wohl auch nicht vorgegeben.

„Es ist nicht unser Anspruch auf alle Fragen der Digitalen Agenda die richtigen Antworten gegeben zu haben, noch nicht einmal überhaupt auf alles Antworten zu haben,“ erklärt Gabriel am Mittwoch. Vielmehr handele es sich bei dem Beschluss um ein Arbeitsprogramm der Bundesregierung mit dem Ziel „Handlungsfelder für den tiefgreifenden Veränderungsprozess unserer Gesellschaft abzustecken“.

Schlüsselwort Vertrauen

Drei Kernziele umfasst die „Digitale Agenda 2014-2017“, die den Zuschnitten der drei Ministerien entsprechen: Für das Wirtschaftsministerium steht das Innovationspotenzial der Digitalisierung an erster Stelle. Die Industrie müsse wettbewerbsfähig bleiben, ihren Vorsprung halten und ausbauen. „Die deutsche Volkswirtschaft hat wie keine andere, die Chance, von der Digitalisierung zu profitieren“, betont der Vizekanzler. Mit der Industrie 4.0 tue sich der Mittelstand teilweise noch schwer.

Um im globalen Wettbewerb mitzuhalten, benötige es Vertrauen in die IT-Sicherheit, für das das Bundesinnenministerium künftig noch stärker Sorge tragen will. „Verschlüsselungsstandort Nr.1 auf der Welt“ und „mehr Sicherheit im Cyberraum“ sind Ziele der Agenda. Vertrauen ist eines der Wörter, die de Maizière bei der Vorstellung der Agenda sehr häufig benutzt: Vertrauen als Währung im Internet etwa, oder Vertrauen in It-Sicherheitunternehmen. Bei Regierungskommunikation setzt der Bundesinnenminister auf deutsche und europäische Unternehmen.

Während „Vertrauen“ und „Wachstum“ als Zielvorgaben so wenig fassbar sind wie die Digitalisierung, ist das dritte Kernziel der Agenda ein analog-greifbares: Damit alle Gesellschaftsmitglieder unabhängig von ihrem Wohnort am Internet teilhaben können, soll bis 2018 der Breitbandausbau mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50Mbit/s flächendeckend erreicht werden. Finanziert werden soll dieser auch mit dem Geld aus der Versteigerung von Funkfrequenzen, erörtet Verkehrsminister Dobrindt.

Bei Netzaktivisten und Nichtregierungsorganisationen war die Reaktion auf die Agenda verhalten, deren Entwurf bereits vorab auf der Plattform netzpolitik.org veröffentlicht worden war. Viele Organisationen wie etwa die IG Metall begrüßen die Agenda grundsätzlich, vermissen jedoch bestimmte Themen oder konkrete Zielsetzungen. Die Agenda sei ein Hausaufgabenheft, so der Innenminister, "bei dem fragt man nicht alle, was man reinschreiben soll". „Es ist ein Arbeitsprogramm“ macht auch der netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Klingbeil klar. Via Twitter rät er den Kritikern: „wenn ihr alle soviel energie in die richtige umsetzung wie hier in die kommentierung steckt, wird es ein guter prozess! #digitaleagenda“.

Autor*in
Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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