Das Private ist durchaus Politisch, sagen Christel Humme und Caren Marks aus der SPD-Bundestagsfraktion. Damit Frauen ganz nach ihren persönlichen Vorstellungen leben können, brauche es die Politik. Eine Antwort auf Kristina Schröder.
Kristina Schröder ist Bundesministerin für Familie, Senioren und Jugend. Und sie ist Frauenministerin - so jedenfalls sieht es ihr Ressortzuschnitt vor. Dass die erste Ministerin, die in ihrer Amtszeit ein Kind geboren hat, nun ein Buch über Emanzipation schreibt, könnte eigentlich hoffnungsfroh stimmen.
„Danke, emanzipiert sind wir selber! Abschied vom Diktat der Rollenbilder“ heißt die Neuerscheinung. Der Titel wird im ersten Moment so manchem Christdemokraten und Christsozialen den Angstschweiß auf die Stirn getrieben haben. Doch eine Abrechnung mit den Rollenbildern der Konservativen in der Union wird man auf den nächsten 240 Seiten nicht finden. Wen wundert’s?
Schwarzer bleibt ungewöhnlich schweigsam
Wenn der Feminismus heute keinen Platz mehr haben darf, weil er den Frauen angeblich das Rollendiktat der vollerwerbstätigen Karrierefrau auferlegt, wie Schröder schreibt, dann darf man sich fragen, warum die Ministerin eigentlich kürzlich Alice Schwarzer für ihr Archiv der deutschen Frauenbewegung im Kölner FrauenMediaTurm jährlich 160.000 Euro zugesichert hat - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Fakt ist allerdings, dass Schwarzer in den Tagen rund um Schröders Buchveröffentlichung ungewöhnlich schweigsam geblieben ist.
Und nun sucht die gleiche Ministerin also den Frauen in Deutschland die Augen zu öffnen, indem sie ihnen signalisiert: Feminismus hin oder her – für Euer Glück, liebe Frauen, seid Ihr ganz allein verantwortlich. Politik hat hier nichts zu suchen. Das Private bleibt also privat. Genau hier aber liegt der Irrtum in den Ausführungen von Kristina Schröder und ihrer Mitarbeiterin Caroline Waldeck.
Aufbruch des etablierten Rollenbildes
Das Private ist durchaus politisch. Das wissen all die alleinerziehenden Mütter, die noch zu Ehezeiten ihren Job aufgegeben haben, um sich um das Kind zu kümmern. Und die nun nach der Trennung vergeblich einen Job suchen. Das weiß auch die Altenpflegerin, die für ihre körperlich harte Arbeit am Ende des Monats weniger Geld in der Tasche hat als ein Mann mit einem gleichwertigen Job. Und das weiß schließlich auch die frühere Schlecker-Beschäftigte, die nun vor der Herausforderung steht, wieder Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt.
Jede Frau soll nach ihren Vorstellungen leben können, als Karrierefrau genauso wie als Vollzeit-Mutter, schreibt Schröder. Wer würde das heute noch ernsthaft bestreiten wollen? Doch hat die Ministerin eines noch nicht verstanden: Um alle Lebensmodelle für Frauen zu ermöglichen, muss das Etablierte, nämlich das jahrzehntelang gültige Rollenbild von der Frau als Zuverdienerin, aufgebrochen werden.
Politik muss für Alternativen sorgen
Das geht aber nur, wenn die Politik den Weg für eine realistische Alternative zum Zuverdienerinnenmodell ebnet. Schon die Sachverständigenkommission zum Ersten Gleichstellungsbericht hat die Regierung aufgefordert: Weg mit dem Ehegattensplitting. Weg mit den Minijobs. Kein Betreuungsgeld. Weg also mit den Fehlanreizen. Es war wohlgemerkt der Erste Gleichstellungsbericht einer Bundesregierung, der auch Kristina Schröder angehört. Das Gutachten der Sachverständigenkommission aber war der Ministerin nicht einmal so viel wert, es persönlich entgegen zu nehmen. Nach dem Lesen des Buches versteht man, weshalb.
Damit Frauen ganz nach ihren persönlichen Vorstellungen leben können, braucht es also durchaus die Politik. Und dabei geht es nicht um staatliche Bevormundung, wie Schröder offenbar immer wieder die Gleichstellungspolitik missversteht. Sondern es geht um den Abbau von Widersprüchen. In genau diese aber verstrickt sich die Ministerin Tag für Tag aufs Neue.
Leitbild der Frau als Hausfrau und Mutter
Die Flexiquote: Sie sei effektiver als eine gesetzlich vorgeschriebene Quote. Dabei weiß inzwischen jeder, dass Freiwilligkeit nichts als weiße Salbe ist. Das Betreuungsgeld: Es bietet Müttern mitnichten einen zusätzlichen „Schonraum“, wie Schröder es landauf, landab verkaufen will. Stattdessen betoniert es das Leitbild der Frau als Hausfrau und Mutter.
Doch statt diese Widersprüche aufzulösen und Frauen einen realistischen Weg für mehr „Freiheit zur Individualität“ zu bahnen, schreibt die sogenannte Frauenministerin lieber ein Buch. Danke, von dieser Ministerin haben wir genug!
ist stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag.