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Dank Kurzarbeit: Deutscher Arbeitmarkt kommt gut durch die Krise

In puncto Beschäftigung ist Deutschland dank Kurzarbeit sehr gut durch die Corona-Krise gekommen. Doch das gilt nicht für alle Beschäftigten. In Zukunft wird deshalb vor allem eines wichtiger: gute Aus- und Weiterbildung.
von Vera Rosigkeit · 8. Juli 2021
Weiterbildung
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Der deutsche Arbeitsmarkt ist während der Corona-Pandemie vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Das zeigen Zahlen einer Studie der OECD zum Beschäftigungsausblick 2021, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurden. Der niedrige Beschäftigungsverlust geht dabei vor allem auf das Konto der Kurzarbeit. So waren im April/Mai 2020 15,5 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland in Kurzarbeit, bis zum im März 2021 sank die Zahl auf 8,4 Prozent. Laut Analyse wird Deutschland bereits im zweiten Quartal dieses Jahres den Beschäftigungsstatus der Vorkrisenzeit erreicht haben, in Ländern wie Großbritannien und den Vereinigten Staaten wird dies erst Ende 2023 der Fall sein.

Kurzarbeit hilft durch die Krise

Bereits im Mai berichtete das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, dass durch Kurzarbeit, die der damalige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 eingeführt hatte, knapp 2,2 Millionen Arbeitsplätze erhalten werden konnten. Dies vor allem auch, weil deutlich rascher als 2009 die Zugangsvoraussetzungen zu Kurzarbeit erleichtert wurden. Die Analyse des IMK zeigte aber auch, dass Kurzarbeit zwar erfolgreich Arbeitsplätze sichert, aber gerade Beschäftigte mit geringeren Löhnen in eine prekäre wirtschaftliche Lage bringen kann.

Die aktuelle OECD-Studie bestätigt diesen Trend. In der Diskussion „Der Arbeitsmarkt nach Corona – was braucht es für einen tragfähigen Aufschwung?“ spricht Bernd Fitzenberger, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), von einem extrem flachen Verlauf der Arbeitslosenquote in Deutschland. „Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind wir inzwischen wieder auf dem Niveau von 2019, ein sehr erfreulicher Befund“, sagt er.

Prekär Beschäftigte und Frauen verlieren

Gleichzeitig habe es mit einem Minus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2019 enorme Einbrüche bei den Minijobs gegeben und einen Rückgang bei der Soloselbstständigkeit um sechs Prozent. Dass die Lasten der Krise ungleich verteilt sind, darauf weist Bettina Kohlrausch in ihrer Interpretation der OECD-Daten hin. Davon ausgehend, dass Arbeit immer auch ein Mechanismus sozialer Integration sei, sei diese Integration für unterschiedliche Gruppen unterschiedlich gelungen, sagt die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf (WSI).

Im Vergleich zu Menschen in prekären Beschäftigungen, wie Minijoberr oder Selbstständige, sei der klassische Industriearbeiter ganz gut durch die Krise gekommen. Für sie zeige dieses Beispiel, dass soziale Absicherung weniger von der Logik des abhängig Beschäftigten in Vollzeit gedacht werden sollte, weil dies nicht mehr die Realität sei. Vielmehr sollte als Aufgabe für die Zukunft überlegt werden, wie soziale Absicherung unabhängig davon gut organisiert werden kann. Außerdem müsse, wer über Erwerbsarbeit redet, auch über unbezahlte Arbeit reden, erklärt Kohlrausch. Dass insbesondere Frauen während der Pandemie in weitaus größerem Umfang ihre Arbeitszeit reduziert haben, könnte langfristig dazu führen, dass der gender pay gap wieder steige.

Qualifizierung muss alle erreichen

Für die Integration auf dem Arbeitsmarkt in Zeiten des Transformationsprozesses werden Weiterbildung und Qualifizierung in Zukunft eine große Rolle spielen, so das Fazit der OECD-Studie. Zwar sieht Fitzenberger im Qualifizierungschancengesetz und Arbeit-von-morgen-Gesetz aus dem SPD-geführten Bundesarbeitsministerium bereits viele Möglichkeiten gegeben. Für ihn entscheidend ist aber die individualisierte Beratung, damit Beschäftigte und Arbeitslose auch die richtige Weiterbildung finden in einer sehr unübersichtlich gewordenen Situation. Auch Kohlrausch hält Qualifizierung für besonders wichtig. Das aber sei ein Bereich, „der total dereguliert“ sei. Qualifizierungen müssten ihrer Meinung besser strukturiert sein, damit auch erkannt werde, wann Weiterbildung überhaupt Sinn mache.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrem Positionspapier zur beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt viele dieser Punkt aufgegriffen. Dazu zählen das Lernen am Arbeitsplatz ebenso wie die finanzielle Förderung einer echten zweiten Chance, also das Erlernen eines zweiten Berufes. Zudem will man eine Weiterbildungskultur schaffen, die auf motivierende Faktoren setzt. Dabei sollen Menschen „nicht nur auf äußeren Druck reagieren, weil der Arbeitgeber die Weiterbildung fordert oder weil sie arbeitslos geworden sind“, erklärt die Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi im Interview mit dem vorwärt. Vielmehr sollen sie die Möglichkeit erhalten, nach einer Erstausbildung mindestens noch drei Jahre lang eine Fort- und Weiterbildung machen zu können, in der eine Grundsicherung garantiert wird.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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