Dagmar Ziegler ist neue Vizepräsidentin des Bundestages
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Dagmar Ziegler ist neue Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Sie wurde mit 536 von 657 abgegebenen Stimmen der Abgeordneten gewählt und tritt damit die Nachfolge des vor wenigen Wochen verstorbenen Thomas Oppermann an. Dafür wurde sie am Dienstag von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagen. Vorausgegangen war eine Abstimmung in der Fraktionssitzung zwischen ihr und der früheren Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Beide erhielten jeweils 66 Stimmen. Schmidt soll Medienberichten zufolge vor einem möglichen zweiten Wahlgang ihre Kandidatur zurückgezogen haben. Der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hatte vor Beginn der Sitzung in einem Pressestatement gesagt: „Wir werden in der Fraktion unter zwei hervorragenden Kandidatinnen eine für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin nominieren.“
Mützenich war es auch, der Ziegler der Fraktion als Vizepräsidentin vorgeschlagen hatte. „Dagmar Ziegler ist eine Genossin mit einem beispielhaften Lebensweg aus einem ostdeutschen Bundesland“, hieß es Anfang des Monats in einer E-Mail von Rolf Mützenich an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion, die dem „vorwärts“ vorliegt. Darin schlug der SPD-Fraktionsvorsitzende die Abgeordnete aus Brandenburg als neue Vizepräsidentin des Bundestages vor. Der Fraktionsvorstand hatte sich zuvor bereits mehrheitlich für Ziegler als Nachfolgerin von Thomas Oppermann ausgesprochen, der das Amt bis zu seinem plötzlichen Tod vor wenigen Tagen inne hatte.
Ziegler: „Eine riesengroße Ehre für mich“
„Rolf Mützenich ist letzte Woche mit dem Vorschlag auf mich zugekommen. Es hat mich sehr überrascht, aber es ist natürlich eine riesengroße Ehre für mich, gerade als Ostdeutsche“, berichtete Ziegler im Gespräch mit dem „vorwärts“. Auch Mützenich argumentierte, dass die Wahl des Bundestagspräsidiums ein besonderer Moment sei und im 30. Jahr der Einheit mit einer öffentlichen Botschaft einhergehen solle. Dagmar Ziegler gehört dem Bundestag seit 2009 an. Zuvor war sie unter den Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck insgesamt neun Jahre lang als Landesministerin in Brandenburg tätig, davon zunächst vier Jahre als Finanzministerin.
Nach der Landtagswahl 2004 war sie für den Bereich Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zuständig. Ihren Bundestagswahlkreis Prignitz – Ostprignitz-Ruppin – Havelland I gewann die 60-Jährige 2009 direkt und zog anschließend zweimal über die Landesliste der brandenburgischen SPD ins Parlament ein.
Im Herbst 2021, nach der kommenden Bundestagswahl, ist für Ziegler im Bundestag Schluss. Das hatte sie bereits im Dezember vergangenen Jahres öffentlich verkündet. Und an diesen Plänen hat sich auch durch ihre Wahl zur Bundestagsvizepräsidentin nichts geändert. Doch bis dahin will sie für Demokratie und Parlamentarismus speziell in Ostdeutschland einstehen. „Ich möchte das sehr gerne nach außen tragen und ganz viele Termine wahrnehmen“, sagt Ziegler. Denn ihre Wahl – als zweite ostdeutsche Sozialdemokratin nach Wolfgang Thierse – sei „für die Ostdeutschen eine mutmachende Sache“.
Botschafterin für Ostdeutschland
Bislang ist Ziegler Mitglied im Ältestenrat und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zudem ist sie eine von drei Sprecher*innen des Seeheimer Kreises, der pragmatisch orientierten Strömung innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Mützenich hob darüber hinaus hervor: „Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Dagmar engagiert und verlässlich für unsere Fraktion. Sie verfügt über einen großen politischen Erfahrungsschatz und kennt den Parlamentsbetrieb sehr gut. Dagmar wäre eine gute Botschafterin für eine mutige und engagierte Zivilgesellschaft in den ostdeutschen Bundesländern.“
Zieglers Wahl sei für Mützenich ein Zeichen, dass sich die SPD im 30. Jahr der Deutschen Einheit öffentlich noch stärker zu ihrer gesamtdeutschen Verantwortung bekenne und an die sozialdemokratische Gründungszeit des wiedervereinigten Deutschlands anknüpfe. „Mit Dagmar Ziegler als Vizepräsidentin des Bundestages können wir den ostdeutschen Bundesländern erneut ein öffentliches Gesicht geben – und dies auch vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im kommenden Jahr“, warb Mützenich.
Ortleb soll Parlamentarische Geschäftsführerin werden
Seit 2013 ist Ziegler bislang Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Dieses Amt soll nach Mützenichs Wunsch künftig Josephine Ortleb übernehmen. Die junge Frau aus dem Saarland gehört dem Bundestag seit 2017 an und wurde im Wahlkreis Saarbrücken direkt gewählt. Zudem ist Ortleb auf Bundesebene Beisitzerin im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). „Sie könnte in den entscheidenden letzten Monaten der Legislaturperiode die Verantwortung für die immer wichtigere Arbeit im Bereich der sozialen Medien und des Newsrooms übernehmen“, schlug Mützenich vor.
Zudem solle Ortleb zusammen mit anderen die Politik für Frauen stärken. „Josephine beherrscht die Stärken der neuen Medien in besonderer Weise und nutzt sie verantwortungsvoll und mit großem Erfolg auch in ihrer eigenen Arbeit.“ Ihre Wahl würde aus Sicht des Fraktionsvorsitzenden außerdem bedeuten, sein Versprechen einzulösen, mehr jüngere Fraktionsmitglieder und mehr Frauen in Führungsverantwortung zu bringen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo