D64-Neujahrsempfang: Klingbeil, Rezo und ein bisschen digitaler Optimismus
Lars Klingbeil ist bei den Netzpolitiker*innen von D64 der Mann für alle Fälle. Der SPD-Generalsekretär ist Gründungsmitglied des Vereins und sprang am Montagabend – wie schon im Vorjahr – kurzfristig für die erkrankte Parteivorsitzende Saskia Esken ein. Klingbeil diskutierte mit Rezo über Zukunftsoptimismus. Der Youtuber wurde einem breiten Publikum vor der Europawahl 2019 durch sein Video „Die Zerstörung der CDU“ bekannt. Seitdem fällt ihm immer mehr die Rolle des Politik-Erklärers zu, wie er auf Nachfrage der D64-Co-Vorsitzenden Laura-Kristine Krause bestätigte: „Voll!“ Er sei Erklärer in beide Richtungen: „Ich erkläre meiner Bubble, was in der Politik abgeht. Und ich erkläre der Politik so ein bisschen, was in meiner Bubble abgeht. Ich will manchmal gar nicht in dieser Rolle sein, aber irgendwie bin ich das eben jetzt.“
Zum Thema des Abends Zukunftsoptimismus kann Rezo zunächst wenig beitragen. In seinem Umfeld kenne er kaum jemanden, der optimistisch in die Zukunft schaue. Die meisten wollten nicht einmal Kinder bekommen. „Die Klimakrise ist das eine: Da hat man natürlich keinen Bock drauf, denn es läuft echt beschissen. Und du weißt, viele Menschen werden sterben. Das Zweite ist: Es kann echt gut sein, dass in den nächsten Jahren Nazis wieder an der Macht sind.“ Eine Sichtweise, die SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nicht teilt: „Ich will auch, dass wir das andere sehen, dass tausende junge Menschen wegen Thüringen auf der Straße waren.“ Rezo räumt ein: „Das fand ich auch stark, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind.“
Insbesondere das Engagement vieler junger Menschen sei für ihn als Politiker sehr ermutigend, sagt Klingbeil. „Seid euch bewusst, was junge Menschen in den letzten zwei, drei Jahren in diesem Land bewirkt haben. Ich finde, darauf kann man stolz sein.“ Es sei zugleich eine Perspektive, aus der sich ein gewisser Zukunftsoptimismus entwickeln lasse: „Ich will nicht, dass sich die anderen zu stark fühlen.“
Maja Göpel ist Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Im Frühjahr 2019 initiierte sie „Scientists for Future“, eine Initiative von Wissenschaftler*innen zur Unterstützung von „Fridays for Future“. Das sei ein Reflex gewesen, um zu sagen: „Hey! Die jungen Leute wissen ganz genau, wovon sie reden.“ Göpel empfiehlt der Politik mehr Ehrlichkeit und „lange, klare Signale, um den Menschen Vertrauen zu geben“, auch wenn die Umfragewerte der eigenen Partei dadurch kurzfristig leiden könnten. Gleichzeitig sei es nötig, „so schnell wie möglich so viel wie möglich zu tun“. Denn in Bezug auf den Klimawandel seien drei Grad Erwärmung immer noch besser als fünf.
„Ich erwarte selbst von der Politik, dass mehr passiert“, sagt Klingbeil. Beispielsweise sei die Debatte um Künstliche Intelligenz in Deutschland mit Ängsten und einer negativen Erwartungshaltung verbunden. Dabei gebe es viele Chancen, die damit verbunden seien, zum Beispiel im Gesundheitswesen. „Wir kämpfen täglich im politischen Geschäft dafür, dass wir anders draufgucken“, sagt er über die Arbeit vieler SPD-Netzpolitiker*innen. Er wolle auch positive Digitalisierungsgeschichten in die Köpfe der Menschen kriegen: „Es muss Allianzen von Menschen geben, die anfangen, mal die positiven Narrative zu erzählen.“
Rezo rät Klingbeil, am Ball zu bleiben
Rezo entgegnet, dass positive Botschaften schwieriger zu vermitteln seien als Ängste. „Es ist eine ganz große Aufgabe, das den Leuten rüberzubringen.“ Er empfiehlt, einfach mal ein Video zu machen, in dem Dinge erklärt werden. „Das Problem ist, unsere Videos guckt keiner“, entgegnet Klingbeil schmunzelnd. Das sorgt für große Erheiterung bei den rund 300 Gästen in der Berliner Kalkscheune. Doch Rezo macht Mut: „Man muss einfach am Ball bleiben. Meine Videos hat am Anfang auch keiner geguckt.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo