Inland

Corona und Gesundheitskosten: „Wer gesetzlich versichert ist, zahlt dreimal“

Nach den Plänen von CDU-Minister Jens Spahn gehen die Corona-bedingten Mehrkosten in der Gesundheitversorgung einseitig zu Lasten der gesetzlich Versicherten. SPD-Präsidiumsmitglied Katja Pähle fordert deshalb „eine Kasse für alle“.
von Vera Rosigkeit · 24. September 2020
Die Kosten für das Vorhalten von Krankenhausbetten und Testkapazitäten belaufen sich derzeit auf 16 Milliarden Euro
Die Kosten für das Vorhalten von Krankenhausbetten und Testkapazitäten belaufen sich derzeit auf 16 Milliarden Euro

Ursprünglich sollten die Corona-bedingten Mehrkosten in der Gesundheitsversorgung nicht zu Lasten der Beitragszahler*innen gehen. Nun will CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Beitragssatz anheben. Was ist ihre Meinung dazu?

Seit Beginn der Corona-Krise setzen die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern alles daran, dass niemand auf den Folgekosten sitzen bleibt, sondern sie möglichst solidarisch getragen werden. Am Gesetzentwurf von Jens Spahn stört mich, dass das Solidarprinzip hier zum Teil durchbrochen wird und die gesetzlich Versicherten doppelt und dreifach belastet werden.

Vielleicht nochmal Zahlen: Wie hoch lassen sich bisher die Mehrausgaben ungefähr beziffern?

Es geht um 16 Milliarden Euro, die unter anderem durch das Vorhalten von Krankenhausbetten und Testkapazitäten angefallen sind. Fünf Milliarden Euro davon trägt nach der jetzigen Planung der Bund. Das ist natürlich alles andere als ein Pappenstiel, und ich bin froh, dass der Bundeshaushalt das neben dem ehrgeizigen Konjunkturprogramm noch hergibt.

Es bleiben also noch elf Milliarden Euro zu stemmen und die tragen nicht etwa alle Krankenversicherten, sondern nur die gesetzlich Versicherten: zum Teil aus den Rücklagen ihrer Kassen, zum Teil durch eine Erhöhung der Zusatzbeiträge um 0,2 Beitragssatzpunkte. Wer gesetzlich versichert ist, zahlt also dreimal: einmal als Steuerzahler und zweimal als Kassenpatient.

Es werden also nur gesetzlich Versicherte zahlen, Privatversicherte profitieren kostenfrei?

Das ist ein doppelter Wettbewerbsnachteil für die gesetzliche Versicherung: Die Privaten werden geschont, und den Gesetzlichen werden Investitionsspielräume genommen. Das passt leider zur grundsätzlichen Herangehensweise von Jens Spahn. Das hat auch eine Ost-West-Dimension. In Ostdeutschland ist der Anteil privat Versicherter viel geringer als im Bundesdurchschnitt. So werden die Corona-Kosten im Gesundheitswesen auch zwischen Ost und West ungleichgewichtig verteilt.

Gerecht ist das aber nicht?

Mir ist klar: Es gibt keinen einfachen Weg, die privaten Versicherungen an einem solidarischen Finanzierungskonzept zu beteiligen. Die Spaltung der Bürgerinnen und Bürger in gesetzlich und privat Versicherte ist per se unsolidarisch. Ich finde aber: Gerade Corona hat uns gezeigt, dass wir uns damit nicht abfinden sollten. Die Risiken einer globalisierten Welt lassen sich nur solidarisch tragen.

Was sind die konkreten Forderungen der SPD?

Deshalb sollten wir ernst machen mit dem Gedanken: eine Kasse für alle. Die Bürgerversicherung muss in der nächsten Wahlperiode auf die Tagesordnung kommen. Die Weichen müssen aber schon für die nächste Wegstrecke anders gestellt werden: Wenn es um die Kosten für eine künftige Teststrategie, erst recht aber für einen Impfung gegen Covid-19 geht, müssen die Kosten gerecht verteilt werden. Es muss von Anfang an klar sein, dass die Kosten nicht einseitig auf die gesetzlichen Krankenkassen abgewälzt werden.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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