Corona und das Internet: Warum keine Netzüberlastung in Deutschland droht
Netflix und YouTube haben ihre Übertragungsgeschwindigkeit bereits gedrosselt. Müssen wir uns Sorgen machen bezüglich einer Netzüberlastung in Deutschland?
Eigentlich nicht. Prinzipiell ist es gut, dass sie diesen relativ einfachen Schritt gegangen sind, weil so niemand auf etwas verzichten muss, aber das Datenvolumen signifikant gesenkt wurde. Schon vor diesem Schritt hatten wir die Information von der Bundesnetzagentur, dass die Netze dem Ansturm Stand halten. Das ist eine gute Nachricht. Wir wissen aber, dass es in der Schweiz etwas schwieriger aussah. Deswegen muss man die Netzauslastung beobachten.
Immer mehr Unternehmen haben ihre Arbeitsweise in Zeiten von Corona auf Home Office umgestellt. Reichen die Kapazitäten dafür aus?
Da kommt es nicht nur auf die Netze an, sondern auch auf die Serverkapazitäten in den Unternehmen. Es geht häufig darum, sichere Verbindungen aufzubauen. Da war in vielen Unternehmen erst einmal der IT-Support gefragt, um das alles einzurichten. Anfang letzter Woche gab es durchaus bei bekannten Videokonferenz-Anbietern Probleme, weil sich Millionen Menschen neu registriert haben. Mittlerweile läuft das meiste ziemlich stabil.
Ist es sinnvoll, auf Videokonferenzen zu verzichten?
Ich würde nicht raten, auf Videokonferenzen zu verzichten. Es kommen dadurch nicht die Netze an ihre Belastungsgrenzen. Manchmal gehen die Kapazitäten der Videokonferenz-Anbieter in die Knie, aber auch die haben das mittlerweile ziemlich gut im Griff.
Gibt es Gegenden in Deutschland, in denen Sie von Home Office abraten würden?
In den meisten Fällen braucht man für Home Office gar keine besonders große Bandbreite. Man muss auf E-Mails zugreifen können. Man braucht eine gute Telefonverbindung und macht vielleicht auch mal einen Videocall, aber das ist nicht zu vergleichen mit der Bandbreite, die man für HD-Netflix-Videos bräuchte. Deswegen sind wir in den meisten Gegenden gut aufgestellt. Es gibt aber auch noch weiße Flecken, also Gebiete, in denen wir sehr langsames Internet haben. Diese weißen Flecken haben aktuell ein Problem. Dort ist es mit dem Home Office im Zweifel ein bisschen schwierig. Das betrifft glücklicherweise nur einen kleinen Teil, aber wenn man dazu gehört, ist es ärgerlich.
Was kann man auf politischer Ebene tun, um im Zweifelsfall für Netzstabilität zu sorgen?
Man muss auch schauen, wie die Netzauslastung über den Tag verteilt aussieht. Wichtig ist, dass gearbeitet werden kann und dass Schülerinnen und Schüler lernen können. Ohnehin sieht es aktuell nicht danach aus, dass es zu Problemen kommen könnte. Es wird überall aufgerüstet. Manchmal ist der Flaschenhals aber das eigene Haus beziehungsweise der eigene Nachbar. Gerade in Mehrfamilienhäusern in größeren Städten kann es durchaus mal vorkommen, dass die Hausverkabelung wegen Überlastung irgendwann anfängt zu glühen. Das ist dann aber nicht das Problem der Netzagenturen.
Macht Deutschland gerade digitalpolitisch einen Schritt vorwärts, weil nun Konzepte angewendet werden, die lange in der Schublade lagen, aber nie richtig zum Tragen kamen?
Deutschland hat vorletzte Woche von Freitag auf Montag einen digitalen Quantensprung hingelegt. Über das vorletzte Wochenende hinweg hat Deutschland einen so großen Sprung in der Digitalisierung gemacht wie noch nie zuvor. Auf der technologischen Seite hat sich nichts verändert, aber auf der kulturellen Seite. Dinge, die in vielen Unternehmen immer wieder hoch und runter diskutiert wurden, werden jetzt einfach gemacht. Das ist ein ganz, ganz großer Fortschritt und wir alle lernen dabei unheimlich viel.
Spüren Sie einen gestiegenen Stellenwert von Digitalpolitik?
Er ist per se schon sehr hoch. Themen wie Künstliche Intelligenz oder die Bedeutung von Algorithmen waren schon vor der Krise in aller Munde. Aber natürlich tauchen darüber hinaus sehr viele neue Themen auf, zum Beispiel bei der Beurteilung von Handyüberwachung. Da sind Digitalpolitiker gefragt, denn es geht um eine Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo