Corona-Teil-Lockdown: „Wir sind auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen.“
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Bei der Vorstellung der Beschlüsse der Ministerpräsident*innen am Mittwoch vergangener Woche haben Sie gesagt, es sei „ein harter und bitterer Tag“. Erleben Sie gerade die schwierigste Zeit in Ihrer Politik-Karriere?
Es gab in meiner bisherigen Zeit als Politiker einige Krisen, die ich erlebt habe: die Flüchtlingskrise, der Anschlag auf dem Breitscheidplatz, der BER. Die Corona-Pandemie kommt nun hinzu. Ja, das ist eine äußerst schwierige Zeit, die bitter für die Stadt ist. Das geht uns alle an. Und das bedrückt mich sehr. Wir fahren die Stadt runter, davon sind alle betroffen und es trifft einige besonders hart. Es geht hier zudem um Leben und Tod, um die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner, aber auch um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen.
Sie haben immer wieder betont, Priorität habe, dass Schulen und Kitas weiter geöffnet bleiben. Rechtfertigt das die Schließung von Theatern und Gaststätten?
Das ist schmerzhaft, aber nötig. Und es ist klar: Es geht hier um eine begrenzte Zeit. Eine Vollbremsung quasi, um die massiv gestiegenen Infektionszahlen wieder zu reduzieren. Und das geht nur, indem wir die Kontaktmöglichkeiten verringern. Schule und Kitas sind essenziell. Wir werden alles tun, um eine erneute Schließung zu vermeiden. Es geht um Bildung, aber es geht auch darum, dass wir Kinder und Jugendliche nicht erneut so lange zu Hause lassen dürfen. Heute wissen wir, dass das dramatische soziale Folgen hat. Das heißt, wir müssen die Kontakte in anderen Bereichen stärker reduzieren. Deshalb gehen wir diesen drastischen Schritt.
Insgesamt scheint die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen geringer zu sein als im Frühjahr. Macht Ihnen das – auch vor dem Hintergrund eines möglicherweise langen Winters – Sorgen?
Ja, das tut es. Denn wir sind auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Ohne die Menschen, die unsere Maßnahmen mittragen, können wir die Pandemie nicht bekämpfen. Aber ich bin zuversichtlich. Denn der allergrößte Teil trägt unsere Schritte mit und dafür bin ich sehr dankbar. Gleichwohl bedeutet das für die Politik: Wir müssen gut erklären, gut kommunizieren, unsere Verordnungen begründen. Dafür stehen wir auch im engen Austausch mit der Wissenschaft und anderen Akteuren.
Nach der Senatssitzung am Donnerstag vergangener Woche haben Sie betont, wie wichtig es Ihnen ist, das Parlament mit einzubeziehen. Am Sonntag haben Sie eine Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus abgegeben. Wie wird verhindert, dass die Demokratie in der akuten Krisensituation unter die Räder kommt?
Die Demokratie kommt nicht unter die Räder. Unsere Beschlüsse müssen von den Parlamentariern mitgetragen werden. Auch in den letzten Monaten gab es einen engen Austausch. Im Plenum und in Ausschusssitzungen, im Ältestenrat, im direkten Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden. Aber richtig ist, die Parlamente müssen auch durch Beschlüsse einen entsprechenden Rahmen setzen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.