Inland

Corona-Rettungsschirm: Milliardenhilfen im Eilverfahren

Bundesregierung im Krisenmodus, Parlamentsarbeit unter erschwerten Bedingungen: Der Bundestag hat am Mittwoch ein umfangreiches Hilfspaket beschlossen, das Arbeitnehmer*innen und Unternehmen in der Corona-Krise absichern soll.
von Benedikt Dittrich · 25. März 2020
Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Bundestag zum Konjunkturpaket: „Wir verbessern die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger.“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Bundestag zum Konjunkturpaket: „Wir verbessern die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger.“

Im Bundestag wurde heute über den Nachtragshaushalt der Bundesregierung und einen Corona-Rettungsschirm für die Wirtschaft debattiert und im Eilverfahren abgestimmt. So wurden in Höchstgeschwindigkeit hunderte Milliarden an Soforthilfen für Wirtschaft und Bevölkerung auf den Weg gebracht, die vor allem diejenigen schützen sollen, die unter den Folgen der Virus-Epidemie schon jetzt leiden oder noch leiden werden.

Zusätzliche Kredite in Höhe von 156 Milliarden Euro

„Unser vorrangiges Ziel ist Leben retten und gleichzeitig die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen halbwegs in Grenzen halten", so fasste SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich die beschlossenen Maßnahmen zusammen. „Wir werden Fehler machen, aber es ist wichtig, dass jetzt Liquidität, Zuschüsse und Rechtssicherheit geschaffen werden, damit ein Schutzschirm über den Einzelnen und über die Gesellschaft ausgebreitet werden kann.“ Bund und Länder könnten diese Maßnahmen nicht aus den Rücklagen finanzieren, hatte SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz zuvor erklärt.

Der Nachtragshaushalt alleine umfasst ein Finanzvolumen von 156 Milliarden zusätzlichen Krediten, die aufgenommen werden sollen, um die Folgen der Krise zu bewältigen – dafür war auch eine Ausnahme von der im Grundgesetz vereinbarten Schuldenbremse notwendig, über die am Nachmittag noch abgestimmt wurde. Insgesamt gehe es mit den beschlossenen Maßnahmen darum, die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen, Existenzen zu sichern und die Wirtschaft zu stabilisieren, so Scholz.

Für diese drei Punkte wurden eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die von Soforthilfen für Selbstständige, über eine Aussetzung der Schuldenbremse des Bundes, bis hin zu weiteren Milliarden zur Bekämpfung der unmittelbaren Folgen der Corona-Epidemie reichen. Dafür wurde neben dem Nachtragshaushalt auch ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit einem Volumen von 600 Milliarden Euro beschlossen. Das Paket wurde mit breiter Mehrheit verabschiedet, auch die Opposition hatte im Bundestag schon zuvor signalisiert, dem Vorschlag von SPD-Finanzminister Olaf Scholz zuzustimmen.

Haushaltsausschuss: Hoher Abstimmungsbedarf

Der Ort, an dem das Paket als erstes in größerer Runde debattiert wurde, war der Haushaltsausschuss. In den Debatten ging es aber nicht nur um die reinen Zahlen, wie Johannes Kahrs berichtet. Auch die Kreditvergabe spielte eine Rolle, ebenso Soforthilfen für Solo-Selbstständige und andere Berufsgruppen, die akut vor dem finanziellen Ruin geschützt werden müssen. „Es geht jetzt darum, dass die Hilfen auch schnell rauskommen“, erklärt der Sprecher des Ausschusses, „die Prüfung ist erstmal nachgelagert“. Rundgerechnet wurde in den letzten Tagen über ein Finanzvolumen von rund 750 Milliarden Euro diskutiert, rechnet Kahrs im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Allerdings, da es sich in großem Umfang um Kredite handelt, sei das Geld nicht weg. Zunächst ging es darum, Insolvenzen abzuwenden, Unternehmen zu refinanzieren, die Wirtschaft insgesamt zu stabilisieren. Dabei wurden laut Kahrs auch zahlreiche Anregungen aus den Wahlkreisen mit in den Nachtragshaushalt aufgenommen, damit die Hilfen zügig und zielgerichtet ankommen. „Auch viele Fragen von uns sind in die Entwürfe eingeflossen“, sagt Kahrs. „Wir waren über den aktuellen Stand immer gut gut informiert.“ Sogar Anregungen von den Banken vor Ort, beispielsweise von den Sparkassen, seien berücksichtigt worden.

„Man merkt, dass Olaf Scholz schon die Finanzkrise miterlebt hat“, sagt Kahrs, der wie Scholz gebürtiger Hamburger ist. Scholz selber war bei der Finanzkrise 2008 Arbeitsminister, auch in der Zeit wurden in Windeseile Rettungspakete in Milliardenhöhe geschnürt, um die Wirtschaft zu stabilisieren, die Auswirkungen auf die Privathaushalte so gering wie möglich zu halten. „Wir haben viel Geld in der Hinterhand“, sagt Kahrs über die gegenwärtige Haushaltslage des Bundes, „das beruhigt.“ Er vergleicht die Situation mit den Hamsterkäufen in den Supermärkten: Eigentlich, so Kahrs, sei ja genug da, es gehe aber darum, dass die Regale eben wieder aufgefüllt werden. Gleiches gelte für die Finanzlage des Bundes: Geld sei genug da, das Geld müsse nur möglichst schnell fließen.

Keine Boni unter dem Rettungsschirm

Dass dabei beispielsweise Sonderzahlungen wie Boni an Manager nicht ausgezahlt werden, wenn die Unternehmen gleichzeitig mit Staatshilfen vor der Insolvenz geschützt werden, ist für Kahrs eine Selbstverständlichkeit. Er geht außerdem davon aus, dass viele Maßnahmen, die jetzt auf den Weg gebracht werden, in der Zukunft auch noch mal nachgeschärft werden. „Vielleicht brauchen wir dann auch wieder ein Konjunkturpaket“, überlegt er.

Durch die Krise jetzt sei auch sichtbar geworden, dass die Krisenprävention künftig wieder in den Mittelpunkt rücken muss: „Katastrophenschutz muss wieder wichtig werden.“ Weltweite Lieferketten und Vorräte müssten überdacht werden, ebenso das Gesundheitssystem. Kahrs schwebt beispielsweise so etwas wie eine Krankenhaus-Reserve für den Notfall vor. „Diese Dinge müssen wir schon jetzt überlegen“, mahnt er an.

„Es ist gut, dass die SPD in Zeiten wie diesen regiert“, sagt er hingegen über die gegenwärtigen Maßnahmen der großen Koalition. „Wir denken die Interessen der kleinen Arbeitnehmer, der sozialen Einrichtungen mit.“ Es gehe der SPD eben nicht allein um die Rettung der Banken. Das müsse man als Sozialdemokrat immer wieder sagen, so Kahrs.

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