Inland

Corona-Radius: Datenschutzbeauftragter gegen Handy-Überwachung

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält eine Überwachung der 15-Kilometer-Regel mithilfe von Handydaten für unverhältnismäßig. Die Corona-App sieht er als Erfolg, gerade weil der starke Datenschutz die Akzeptanz erhöht habe.
von Jonas Jordan · 15. Januar 2021
Die Corona-App ist für den Bundesdatenschutzbeauftragten ein Erfolg.
Die Corona-App ist für den Bundesdatenschutzbeauftragten ein Erfolg.

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie dürfen sich die Menschen in einigen Regionen Deutschlands nur noch 15 Kilometer rund um ihren Wohnort bewegen. Inzwischen gibt es Vorschläge, das mithilfe von Handydaten zu überwachen. Was halten Sie davon?

Von diesem Vorschlag halte ich wenig, schon weil er nicht durchführbar ist. Bereits die Daten aus Funkzellenabfragen sind zu ungenau. Zum anderen liegen auch keine verlässlichen Zahlen vor, wie groß die Zahl der Personen ist, die solche Vorgaben missachten. Bevor versucht wird, Menschen flächendeckend mithilfe sensibler Bewegungsdaten zu überwachen, sollte geklärt sein, ob Regelverstöße tatsächlich so häufig sind und nicht anders kontrolliert werden können, z.B. durch Kontrollen an Wanderparkplätzen oder ähnliche Maßnahmen. Der Vorschlag erscheint schlichtweg unverhältnismäßig. Für einen solchen Eingriff in die Grundrechte bräuchte es außerdem eine klare gesetzliche Grundlage.

Rund 24 Millionen Nutzer*innen haben sich bereits die Corona-Warn-App heruntergeladen. Ist die App aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Ja, aus meiner Sicht ist sie das. Verglichen mit unseren Nachbarländern haben wir die mit weitem Abstand größte Akzeptanz. Diese verdanken wir gerade auch der Transparenz, die mit der Veröffentlichung des Quellcodes und mit dem hohen Datenschutzniveau erreicht wurde.

Es wird immer wieder versucht, diese App schlecht zu reden. Ich würde mir in der Debatte um die Corona Warn App wünschen, dass sie als das gewürdigt wird, was sie ist: ein wichtiges Instrument zur Eindämmung der Pandemie, im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen. Und ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen die App auf ihr Telefon laden, um im Falle einer Infektion, andere Menschen zuverlässig warnen zu können. Jeder Nutzende mehr erhöht die Effektivität der App massiv.

Dennoch gibt es andauernde Kritik, die App biete zu viel Datenschutz und zu wenige Möglichkeiten zur Kontaktnachverfolgung. Wie beurteilen Sie die Kritik?

Für diese Kritik sehe ich keine faktische Grundlage. Seit Ende Dezember gibt es in der Corona Warn App ein so genanntes Kontakttagebuch. Darin kann ich als Nutzender eintragen, wen ich wann gesehen und wann ich mich an welchen Orten aufgehalten habe. Diese Funktion ist datenschutzrechtlich absolut unbedenklich. Die nutzende Person kann dies auf dem eigenen Endgerät dokumentieren. Wenn diese Person ein positives Testergebnis erhält, kann sie dem zuständigen Gesundheitsamt diese Informationen zur Kontaktnachverfolgung anbieten. Viele Erweiterungen der Funktionalität sind zudem noch möglich, z.B. eine Clustererkennung.

Könnte eine freiwillige „Datenspende“ der Nutzer*innen, die nun von manchen gefordert wird, eine adäquate Lösung sein?

Die Corona-Datenspende-App gibt bereits seit April vergangenen Jahres. Hier können die Nutzenden ihre Zustimmung zur wissenschaftlichen Datenauswertung geben und in pseudonymisierter Form Gesundheitsdaten Daten von ihrem Fitnessarmband oder ihrer Smartwatch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellen. Und es steht Bürger*innen auch frei, bei einem positiven Testergebnis dem Gesundheitsamt ihre GPS-Daten aus Google Maps etc. anzubieten. Die Ämter können damit aber gar nichts anfangen, wie mir von deren Leitungen versichert wurde. Die kämpfen an jeder Ecke mit einem Mangel an Mitarbeiter*innen.

Inwieweit halten Sie es grundsätzlich für zulässig zugunsten der Corona-Pandemie Abstriche beim Datenschutz zu machen? Wenn ja, wie könnten diese aussehen?

Beim Datenschutz wurden von Beginn an zahlreiche Einschränkungen gemacht. Denken Sie an die Kontakterfassung in Restaurants und denken Sie an Meldepflichten etwa auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes.

Ich halte absolut nichts von dem beständig wiederkehrenden Ruf, der Datenschutz müsse doch nun endlich zu Gunsten des Gesundheitsschutzes eingeschränkt werden. Da wird immer wieder eine vermeintlich griffige Forderung aufgestellt und damit eine schnelle Lösung und ein Sündenbock gesucht. Die körperliche Integrität und das Persönlichkeitsrecht sind beide Grundrechte. Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es, diese Rechte zu einem sinnvollen Ausgleich zu bringen. Es trägt weder zur Eindämmung der Pandemie noch zur Akzeptanz in staatliche Maßnahmen bei, Grundrechte gegeneinander auszuspielen und mit dem Vertrauern der Bevölkerung zu zündeln.

Es ist im Interesse aller Bürger*innen, wenn Grundrechte wie der Datenschutz nur eingeschränkt werden dürfen, wenn es erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist sowie auf einer rechtlichen Grundlage passiert.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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