Corona-Notbremse: Das planen Ministerpräsident*innen und Kanzleramt
Was verbirgt sich hinter der „Notbremse“?
Die Notbremse ist ein Mechanismus, den Ministerpräsident*innen und Bundeskanzlerin bei ihrer Runde Anfang März beschlossen hatten. Damals standen die Zeichen eher auf Lockerungen, doch für den Fall, dass die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner*innen an drei aufeinander folgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100 steigt, wurde vereinbart, dass ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft treten. Das heißt: zurück in den Lockdown, geöffnet bleibt nur, was für die Deckung des täglichen Bedarfs unbedingt notwendig ist.
Warum soll die Notbremse jetzt gezogen werden?
Die Corona-Zahlen haben sich nicht so entwickelt, wie von der Politik erhofft. Für Montag gab das Robert-Koch-Institut für das gesamte Bundesgebiet eine 7-Tage-Inzidenz von 107,3 an. Bereits am Wochenende war die Schwelle von 100 überschritten worden. „Nach deutlich sichtbaren Erfolgen bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens im Januar und Februar zeigt die aktuelle Entwicklung – insbesondere aufgrund der hohen Verbreitung von Covid-19-Variante B.1.1.7 – wieder ein starkes Infektionsgeschehen und eine exponentielle Dynamik“, heißt es in der Beschlussvorlage für die Videokonferenz der Ministerpräsident*innen mit der Kanzlerin, die dem „vorwärts“ vorliegt. Es sei daher absehbar, „dass ohne deutlich einschränkende Maßnahmen die Zahl der Neuinfektionen so schnell steigen würde, dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist“. Hamburg hatte die Notbremse bereits am Freitag gezogen.
Was bedeutet das für jede*n einzelne*n?
Die bestehenden Einschränkungen werden voraussichtlich zunächst bis zum 18. April verlängert. Die Anfang März avisierten weiteren Öffnungen wird es also vorerst nicht geben. Für Landkreise mit einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 soll es zudem Verschärfungen geben. In der Diskussion sind nächtliche Ausgangssperren und die Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, wenn ein zweimaliger Corona-Test pro Woche für Erziehungs- und Lehrkräfte sowie alle Schüler*innen und betreuten Kinder nicht sichergestellt ist. Ab einer 7-Tage-Inzidenz von 200 müssten Schulen und Kitas ggf. grundsätzlich schließen. Diese Einschränkungen sind jedoch noch strittig. Für Ausgangssperren sehe sie „nicht die Akzeptanz in der Bevölkerung“ sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Sonntag bei „Anne Will“. Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag in ZDF-„Morgenmagazin“. Viele Menschen seien „wirklich auch bei gutem Willen inzwischen Corona-müde. Und das müssen wir in unseren Beschlüssen auch immer mit im Hinterkopf haben“, so Weil.
Gibt es Lockerungen über Ostern?
Auch dieser Punkt ist noch strittig. In der Beschlussvorlage findet sich unter Punkt 5 eine Passage, doch die ist komplett in eckige Klammern gefasst, was „Dissens“ bedeutet. Würde die Passage am Montag beschlossen, wären Verwandtenbesuche anders als im Lockdown über Ostern im vergangenen Jahr möglich. Die guten Erfahrungen von Weihnachten könnten hier ein Argument sein. Demnach könnte es zwischen dem 2. (Karfreitag) und dem 5. April (Ostermontag) eine Ausnahme von den geltenden Kontaktbschränkungen geben. Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen zuzüglich Kinder im Alter bis 14 Jahren aus dem engsten Familienkreis wären dann möglich.
Und was ist mit Osterurlaub?
Auch darum wird noch gerungen. Zwar appelliert die Beschlussvorlage an die Menschen, „auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten – auch hinsichtlich der bevorstehenden Ostertage“, doch findet sich darin auch eine – noch strittige – Passage, nach der Osterreisen „unter Beachtung der geltenden Kontaktbeschränkungen, strengen Hygieneauflagen und der Umsetzung eines Testregimes ermöglicht werden“ sollen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil befürwortete im Morgenmagazin das Konzept des „kontaktlosen Urlaubs“ also etwa in Ferienwohnungen oder Wohnwagen. „Wir setzen rein darauf, dass man sich selbst versorgt, dass keine Gemeinschaftsunterkünfte geöffnet sind“, so Weil.
Geschäfte und Restaurants bleiben geschlossen, Büros geöffnet. Wo bleibt da der Infektionsschutz?
„Was ist mit verpflichtenden Tests für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?“, hatte der Vorsitzende der Ministerpräsident*innenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, schon am Wochenende im „Bericht aus Berlin“ gefragt. „Wir organisieren das in den Ländern für die Lehrer, es funktioniert zweimal die Woche, warum soll sowas eigentlich nicht auch in der Wirtschaft funktionieren?“ Und so findet sich in der Beschlussvorlage nun auch eine Passage, dass Unternehmen ihren Beschäftigten weiter wo möglich die Arbeit im Homeoffice ermöglichen sollen – und „ihren in Präsenz Beschäftigten regelmäßige Testangebote machen“ müssen. Die Tests sollen den Mitarbeiter*innen „mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche angeboten werden“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.