Corona-Maßnahmen: „Lockerungen sind nicht zu erwarten.“
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Am Dienstag werden die Ministerpräsident*innen erneut mit der Bundeskanzlerin über die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen beraten. Stehen die Zeichen auf Verschärfung?
Derzeit sind bei uns ist die Zahl der Neuinfektionen nach wie vor deutlich zu hoch, auch wenn ein Abwärtstrend erkennbar ist. Dazu kommt die Sorge vor Mutationen aus Großbritannien und Südafrika, zu deren Verbreitung in Deutschland wir derzeit aber nicht viel wissen. Deswegen sind Lockerungen nicht zu erwarten, sinnvolle Erweiterungen der bisherigen Maßnahmen aber durchaus möglich.
Warum konnten die bisher ergriffenen Maßnahmen inklusive Schließung der Schulen die Infektionszahlen nicht deutlicher senken?
Auch das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Zum einen werden die Regeln leider nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern konsequent eingehalten, das ist und bleibt aber die Voraussetzung für einen durchgreifenden Erfolg. Zum anderen hatten wir zwischenzeitlich mit Weihnachten und Neujahr noch einmal schwierige Klippen zu meistern. Und zum dritten könnte es sein, dass durch den Lockdown umgekehrt gewaltige Ausbrüche, wie es sie in anderen Ländern gab, verhindert werden konnten. Jetzt jedenfalls gehen die Zahlen zurück, aber es ist noch ein langer Weg.
Manche Ihrer Kollegen plädieren inzwischen für einen harten Lockdown wie im Frühjahr als auch viele Betriebe für mehrere Wochen geschlossen waren. Sehen Sie das genauso?
Na ja, auch im Frühjahr hatten wir zum Beispiel nicht die Industrie stillgelegt. Man muss sich einmal klarmachen, dass ein völliger wirtschaftlicher Stillstand mit gewaltigen Schäden verbunden ist. Viele Unternehmen sind durch die letzten Monate schon sehr geschwächt und viele Beschäftigte machen sich jetzt schon große Sorgen um ihren Arbeitsplatz.
Trotz dringender Appelle von Politik und Wissenschaft arbeiten noch immer viele Menschen im Büro. Warum werden Arbeitgeber nicht – wo es möglich ist – zum Homeoffice für ihre Mitarbeiter verpflichtet?
Genau darüber denken wir gerade nach. Ich halte es durchaus für geboten, eine Pflicht zum Homeoffice seitens des Bundes im Verordnungswege zu regeln. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssten dann darlegen, warum welche Bereiche definitiv nicht ins Homeoffice gehen können. Gleichzeitig könnten diese Betriebe und Institutionen durch eine Flexibilisierung der täglichen Anfangszeiten ihre Beschäftigten auffordern den ÖPNV in den Stoßzeiten zu entlasten. Parallel muss sichergestellt werden, dass auch bei einem weiteren Rückgang der Fahrgastzahlen durch mehr Homeoffice und wenig Schulbesuch keine Busse oder Bahnen ausgesetzt werden, sondern im Gegenteil das ÖPNV-Angebot eher noch ausgeweitet wird. Dass würde dann zu mehr Abstand und mehr Sicherheit im ÖPNV führen.
Ein Großteil der Deutschen steht nach wie vor hinter den Corona-Maßnahmen. Haben Sie Sorge, dass die Stimmung kippen könnte?
Nach aktuellen Umfragen steht eine große Mehrheit der Bevölkerung unverändert zu dem eingeschlagenen Kurs. Aber wir dürfen es nicht überziehen, wir brauchen die richtige Mischung aus Konsequenz und Besonnenheit.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.