Corona-Krise: Krankenhäuser befürchten Verluste
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Bilder wie in Italien oder Spanien sind den deutschen Krankenhäusern bisher erspart geblieben. Dort hat die Corona-Krise die Kliniken stark überlastet. Schwer kranke Patient*innen mussten auf dem Boden im Flur schlafen oder wurden gar nicht erst aufgenommen. Um ähnliche Szenerien zu vermeiden, wurden die deutschen Krankenhäuser aufgefordert, Kapazitäten freizuhalten und planbare Behandlungen zu verschieben.
Kliniken wollen Regelversorgung wieder aufnehmen
Nun fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), diese Maßnahmen wieder zurückzufahren. „Die derzeitige Situation in den Krankenhäusern erlaubt eine vorsichtige, schrittweise Wiederaufnahme der Regelversorgung“, erklärt DKG-Präsident Gerald Gaß in einem am Mittwoch verbreiteten Statement. „Wir erwarten von der Bundeskanzlerin, den Ministerpräsidenten und dem Bundesgesundheitsminister eine Aussage, die drastisch zurückgestellten Krankenhausbehandlungen wieder aufnehmen zu dürfen.“
Gaß verspricht, die Kliniken würden auch weiterhin die notwendigen Intensivkapazitäten ausbauen und vorhalten. Und sollten die nun von der Politik beschlossenen Lockerungen zu einem Anstieg der Infektionen führen, könnten die Krankenhäuser schnell reagieren. „Die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten liegt bei rund sieben Tagen“, so Gaß. Mit anderen Worten: Bei Bedarf wären auch belegte Betten innerhalb weniger Tage wieder frei.
„Besorgniserregende Rückmeldungen”
Die Forderung der DKG hat zum einen medizinische Gründe. Auch planbare Operationen wie Bypässe oder Gelenkersatz lassen sich nicht unbegrenzt aufschieben, ohne einen Rückstau zu verursachen. Selbst notwendige Behandlungen blieben auf der Strecke, so Gaß. „Wir haben aus Kliniken besorgniserregende Rückmeldungen, dass die Einweisungen wegen Verdachts auf Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich zurückgegangen sind. Und das liegt nicht daran, dass es weniger Verdachtsfälle gibt, sondern, dass Patienten aus Angst sich gar nicht beim Rettungsdienst melden. Auch der Umstand, dass viele niedergelassene Fachärzte ihre Praxen nicht in vollem Umfang betreiben führt mutmaßlich dazu, dass Erkrankungen verschleppt und zu spät erkannt werden.“
Zum anderen geht es den Kliniken auch ums Geld. Denn jedes ungenutzte Krankenbett kostet, jede verschobene OP bedeutet für die Klinik einen Einnahmeausfall. Um dies zu kompensieren, hat der Bund eigentlich ein Krankenhaus-Entlastungsgesetz verabschiedet. Es sieht unter anderem vor, dass die Einrichtungen eine Pauschale von in Höhe von 560 Euro pro ausgebliebenem Patienten und Tag erhalten. Jedes zusätzlich geschaffene Intensivbett wird mit einem Bonus von 50.000 Euro belohnt. Und mit einem Zuschlag von 50 Euro täglich pro Patient sollen die gestiegenen Kosten für die persönliche Schutzausrüstung – etwa Atemschutzmasken – ausgeglichen werden.
Kommunale Kliniken: „... rechnen mit Verlusten”
Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner (SPD) meint, dass die vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen nicht ausreichen. „Solange auf übergeordneter Ebene keine Ausgleichsmechanismen für die unvermeidbaren Einnahmeverluste geschaffen werden, werden diese aus den kommunalen Kassen gedeckt werden müssen.“
Drastisch äußert sich Wolfsburgs Sozialdezernentin Monika Müller: „Wir rechnen mit massiven Verlusten, da gerade bei weniger schweren Verläufen nur ein Schweregrad von 0,5 anzunehmen ist“. Der Schweregrad bestimmt darüber, wie hoch das Krankenhaus für die Behandlung vergütet wird. Laut Müller führt das aktuelle Berechnungssystem dazu, dass die Wolfsburger Klinik für die Behandlung eines weniger schwer erkrankten Coronapatienten weniger Geld bekommt, als wenn sie das Bett einfach leer stehen ließe. „Sofern die derzeitigen Regelungen nicht nachgebessert werden, wird das Klinikum Wolfsburg existenzbedrohende Verluste machen“, sagt Müller.
Finanzierung der Krankenhäuser soll erneut überprüft werden
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor der Verabschiedung des Krankenhaus-Entlastungsgesetzes bereits zugesagt, bei Bedarf nachzujustieren. Ein neu gegründeter Fachbeirat soll bis zum 30. Juni überprüfen, wie sich die Regelungen auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ausgewirkt haben.
Die DGK kritisierte an dem Entlastungsgesetz, „dass die Finanzierung der Kliniken auch im gegenwärtigen Ausnahmezustand weitgehend im Rahmen der komplexen Abrechnungssysteme erfolgen soll.“ Denn auch Rechnungen zu stellen bedeutet einen Arbeitsaufwand – im Extremfall einer sich zuspitzenden Corona-Krise könne es passieren, dass dieser gar nicht geleistet werden könne. Besser wäre eine monatliche Abschlagszahlung, merkte DKG-Präsident Gaß zu Spahns Gesetz an.
Kliniken erweitern ihre Kapazitäten
Unterdessen arbeiten viele Kliniken daran, ihre Kapazitäten für die Corona-Krise zu erweitern. In Berlin entsteht eine Notfallklinik für bis zu 1.000 Corona-Patient*innen. In Wolfsburg wurde in einem Hotel ein Ergänzungskrankenhaus für 210 Patient*innen geschaffen, außerdem wird die Zahl der Intensivplätze aufgestockt. Das Klinikum Dortmund hat an zwei Standorten neue Intensivstationen mit insgesamt 30 zusätzlichen Betten aufgebaut, wie Sprecher Marc Raschke mitteilt (Stand 7. April).
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Zuerst erschienen auf demo-online.de.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.