Inland

Corona-Krise: Die Demokratie hat klug und schnell gehandelt

In der beispiellosen Krise der Corona-Pandemie hat unser demokratisches System gezeigt, dass es stark, sozial und radikal agieren kann. Die vielen Stimmen, die in der Demokratie mitreden dürfen, haben auch in der Krise die besten Entscheidungen hervorgebracht. Daran sollte niemand rütteln.
von Rolf Mützenich · 6. Mai 2020
Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

Existenzielle Krisen führen uns immer wieder zu zentralen, sehr grundsätzlichen Fragen: Wie stark muss ein Staat sein, um seine Bürgerinnen und Bürger vor Bedrohungen, etwa einer Pandemie ausreichend zu schützen? Wer muss welche Kompetenzen haben, wer hat welche Entscheidungsgewalt? Wie kann sich der Staat zugleich sozial, demokratisch und an das Recht gebunden behaupten?

Falsche Rufe nach der starken Hand

Wir werden viele Lehren aus dieser Zeit ziehen. Und es ist sinnvoll, die notwendigen Konsequenzen breit und offen zu diskutieren. Uns begegnen schon jetzt die Rufe nach dem einen Krisenmanager, nach der starken Hand, die uns durch die Krise lenkt. Naserümpfend wird über demokratische Prozesse gesprochen, die die Bewältigung der Krise behindern würden.

Aber haben wir nicht gerade gezeigt, dass der demokratische Staat, der zudem föderalistisch organisiert ist, klug, schnell und radikal handeln kann? Ich glaube, gerade die vielen Stimmen, die in der Demokratie mitreden dürfen und müssen, haben auch in der Krise die besten Entscheidungen hervorgebracht. Vielleicht würde der eine Krisenmanager die ein oder andere Entscheidung einen Tag schneller treffen, aber vielleicht auch würde er sie eigensinnig, uniformiert und daher falsch treffen. Ich jedenfalls bin dankbar, dass sich auch in der Krise die Demokratie bewährt hat, dass eben nicht eine oder einer allein entschieden hat.

Marktmechanismen versagten in der Krise

Eine weitere Lehre aus der Corona-Pandemie wird sicher sein, wie wichtig ein handlungsfähiger und starker Staat gerade in Krisenzeiten ist. Endgültig vorbei sein dürften alle Überlegungen, den Staat zugunsten der Wirtschaft und des Marktes weiter zu schwächen. Gerade die wochenlange Diskussion um die Beschaffung von Schutzmasken zeigt doch, dass Marktmechanismen im entscheidenden Moment der Krise versagen. Ich zweifle nicht grundsätzlich an der Globalisierung, aber die internationalen Abhängigkeiten vieler Unternehmen, von den Lieferketten bis zum Kundenstamm, sind spätestens dann kaum tragfähig und akzeptabel, wenn es um Leben und Tod geht.

Unsere Gesundheit darf keine Frage von Angebot und Nachfrage sein. Vor allem muss sie solidarisch organisiert sein. Auch sollten wir uns nicht immer darauf verlassen, dass all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern, Supermärkten und anderen – plötzlich als systemrelevant erkannten – Branchen den Job ihres Lebens machen – obwohl sie ihr ganzes Arbeitsleben schlecht dafür bezahlt werden. Tariffähigkeit, Tarifgebundenheit und Mitbestimmung werden die zentralen Mittel sein, um diese Fragen zu beantworten.

Staat muss handlungsfähig sein

Zudem sehen wir, wie wichtig eine gesunde Finanzlage des Staates ist: Millionen von Unternehmen und Selbstständigen können nur deswegen überleben, weil der Staat finanziell handlungsfähig ist.

Ja, wir haben viel zu diskutieren und zu entscheiden in den nächsten Monaten. Wir werden natürlich viel verbessern können, Fehler vermeiden lernen, uns vorausschauender vorbereiten – aber an einem werden wir nicht rütteln: dass unser Staat stark, sozial und demokratisch bleibt.

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