Inland

Corona-Konjunkturpaket: Soziale Komponente beim Kinderbonus ein gutes Signal

Alexander Nöhring vom „Zukunftsforum Familie” der AWO begrüßt die familienpolitischen Entscheidungen im Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Im fehlt allerdings ein Rettungsschirm für arme Familien.
von Vera Rosigkeit · 4. Juni 2020

300 Euro soll es einmalig pro Kind geben, so hat es die Koalition in ihrem Konjunkturpaket festgelegt. Eine große Hilfe für Familien?

Wenn der Bonus so kommt, wie er gestern Abend beschlossen wurde, ist das erst einmal ein gutes Signal. Familien tragen zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei und viele Aufgaben der Kinderbetreuung und Schule mussten in der Krise von ihnen gemeistert werden. Besonders in Familien, die von Armut bedroht oder arm sind, ist diese Unterstützung zudem dringend notwendig. Denn es sind Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder im SGB II ausgefallen, zum Teil sind Lebensmittelpreise gestiegen. Diese Kosten müssen auch von den Familien in Hartz IV ersetzt werden.

Die Frage ist, ob auch wohlhabendere Familien oder Familien der Mittelschicht dieses Geld unbedingt brauchen oder ob hier nicht eine zusätzliche Unterstützung in die Öffnung der Infrastruktur sinnvoller gewesen wäre. Wir vom Zukunftsforum Familie sagen, dass das untere Einkommensfünftel in der Bevölkerung dringend mehr Geld und Infrastruktur braucht, Familien mit mehr Einkommen brauchen v. a. die Infrastruktur.

Sie haben eingangs von Bedingungen gesprochen, die für den Kinderbonus wichtig sind. Was meinen Sie damit konkret?

Für uns ist zentral, dass der Bonus eine soziale Komponente enthält: er wird einerseits nicht auf Leistungen zur Grundsicherung angerechnet. Denn würde er verrechnet, verpufft der Effekt für arme Familien. Andererseits soll er nach oben hin mit dem Kinderfreibetrag verrechnet und versteuert werden. So kommt mehr Geld dort an, wo es wirklich gebraucht wird.

Nun wird es auch zusätzliche Unterstützung für Kitas und Schulen geben. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?

Versprochen ist eine zusätzliche Milliarde für den Um- und weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung. Das halten wir für immens wichtig. Denn Kitas stehen derzeit vor der Herausforderung, einerseits Kinder weiterhin aufzunehmen und andererseits nach den Maßgaben des Infektionsschutzes, Gruppen zu teilen. Dafür müssen sie auch bauliche Veränderung vornehmen und brauchen zusätzliches Personal. Diese Investition kann helfen, den Spagat ein wenig zu entlasten.

Ebenfalls wichtig ist die im Konjunkturpaket vorgesehene Beschleunigung des Ausbaus der Ganztagsbetreuung. Sie wird den Familien weit über die Corona-Krise hinaus langfristig helfen. Und die geplante Anhebung des steuerlichen Freibetrags für Alleinerziehende von aktuell 1.908 auf 4.000 Euro entspricht einer langjährigen Forderung von Alleinerziehenden-Verbänden, der wir uns immer angeschlossen haben. Davon profitieren in den Jahren 2020/21, für die sie vorgesehen ist, allerdings keine armen Alleinerziehenden, sondern nur diejenigen, die ein existenzsicherndes Einkommen haben. Aber ihnen wird es helfen und man kann hoffen, dass die Regelung beibehalten wird.

Darüber hinaus sind natürlich größere Maßnahmen wie das Senken der Mehrwertsteuer und die Stabilisierung der Stromkosten etwas, was insbesondere Familien entlastet, die ja in größeren Haushalten leben.

Über das Konjunkturpaket hinausgedacht, wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf, der durch die Krise besonders deutlich wird?

Was sich in der Krise nochmals verschärft hat und wir immer wieder versuchen auch öffentlich deutlich zu machen, ist, das arme und von Armut bedrohte Familien nicht wirklich im Blickfeld der Politik sind. Nehmen wir den Wegfall der Teilhabe- und Bildungsleistung, darunter fällt beispielsweise auch das kostenlose Mittagessen in Schule und Hort. Mit dem Sozialschutzpakets II ist dem begegnet worden, in dem man sagte, dass das Mittagessen jetzt an der Schule oder Kita abgeholt werden kann. Für und ist das der Gipfel des Misstrauens gegenüber armen Familien. Wir hätten es für richtiger gehalten, diese Leistungen zu pauschalisieren und auszuzahlen. Auch hätte es schon lange Geld gebraucht, um Schulcomputer zu kaufen.

Als Zukunftsforum Familie unterstützen wir deshalb den Aufruf des Paritätischen Gesamtverbandes zur Forderung von #100EuroMehrSofort. Und langfristig brauchen wir eine Kindergrundsicherung, für die wir uns seit Jahren in einem breiten Bündnis stark machen. Denn arme Familien stehen in Deutschland unter keinem Rettungsschirm. Aber wie gesagt, sollte der Kinderbonus von 300 Euro auf die Grundsicherung anrechnungsfrei bleiben, ist das ein gutes Signal.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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