Corona-Impfung: So deutlich kritisiert die SPD Jens Spahn im Bundestag
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Die Kritik am schleppenden Start der Corona-Impfung in Deutschland erreicht am Mittwoch auch den Bundestag. In einer Regierungserklärung nimmt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu Stellung. Dabei zeigt er sich wenig selbstkritisch und bleibt oft unkonkret in seinen Aussagen. Das komplette Kontrastprogramm dazu zeigt die SPD-Bundestagsfraktion. Sie wird in ihren kritischen Fragen an Spahn zur langsamen Impfung sehr konkret und überaus deutlich.
Carsten Schneider: SPD klipp und klar für europäische Lösung
Carsten Schneider, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, spricht im Zusammenhang mit der langsamen Impfung von einem „Wettlauf mit der Zeit“. Dabei gehe es um Menschenleben, aber auch darum, wieder zu normalen Lebensverhältnissen zurückzukehren. Schneider fordert „volle Konzentration, auf den einzigen Lichtblick, den wir haben, den Impfstoff!“
Dabei weist er zunächst den von Spahn an die Adresse der SPD gerichteten Vorwurf zurück, die Sozialdemokratie sei für einen „nationalen Alleingang“ bei der Beschaffung von Impfdosen: „Die SPD-Fraktion ist klipp und klar dafür, dass wir europäisch beschaffen, und dass diese europäische Beschaffung von zusätzlichem Impfstoff dazu führt, dass alle Länder in Europa auch Zugang dazu haben.“
Konkrete Fehlentscheidungen von Jens Spahn
Der entscheidende Punkt sei ein ganz anderer. Es gehe darum, so Schneider direkt an den auf der Regierungsbank sitzenden Spahn gewandt, „ob die Entscheidungen, die sowohl in der EU-Kommission als auch in Ihrer Ressortverantwortung als Bundesgesundheitsminister und als Vorsitzender des Gesundheitsministerrates, korrekt oder nicht korrekt waren“. Es sei „eine Kernaufgabe des Parlamentes, dies zu kontrollieren und zu hinterfragen“.
Ihm, so Carsten Schneider, sei das Angebot des Mainzer Impfstoffherstellers Biontech, der EU 200 Millionen zusätzliche Impfdosen zur Verfügung zu stellen, „nicht bekannt“ gewesen. Hätte man die SPD-Fraktion gefragt, ob diese zusätzlichen Mengen gekauft werden sollten, dann könne er nur sagen: „Angesichts der sozialen und ökonomischen Kosten, die das Runterfahren dieses Landes hat, sind die Kosten für die Beschaffung des Impfstoffes eine Lappalie! Wir hätten es machen müssen!“
Impfen! Impfen! Impfen!
Das sei überhaupt keine Kritik an der EU. „Es ist eine Kritik an der Entscheidung“, die im Übrigen dem Bundestag offiziell noch gar nicht mitgeteilt worden sei. Die SPD habe eine ganz klare Priorität: „Impfen! Impfen! Impfen!“ Aber, so Schneider, „was wir dafür brauchen, ist der Impfstoff.“
Der Sozialdemokrat spricht den CDU-Minister immer wieder direkt an: „Sie haben gesagt, in diesem Jahr oder bis zum Sommer, könnte jeder, der möchte, eine Impfung bekommen. Ich hoffe das sehr.“ Er vermute jedoch, das werde nur gelingen, wenn der neue Impfstoff der Firma Astra Zeneca zugelassen werde. Denn das, was Spahn jetzt zusätzlich bestellt habe, werde wahrscheinlich erst im zweiten Halbjahr 2021 zur Verfügung stehen. „Da reden wir über den Herbst diesen Jahres!“, kritisiert Schneider, „während andere Länder bereits geimpft sind“.
„Warum hat das so lange gedauert?“
Die Entscheidung zur Impfstoffbestellung sei „eine politische Entscheidung, die ich von solcher Relevanz für dieses Land halte“, dass der Bundestag darüber debattieren und auch eine klare Linie vorgeben müsse. Die SPD-Fraktion fordere, jetzt alle Kräfte zu bündeln, um zusätzlichen Impfstoff zur Verfügung zu stellen.
Die Entscheidungen des Bundeskabinetts vom 13. Januar zur genetischen Entschlüsselung von Mutationen bei Virustests und zur Testpflicht bei Einreisen aus Risikogebieten seien „absolut richtig“. Die englische Virusmutation sei jedoch bereits Mitte Dezember bekannt gewesen. Die Reiserückkehrer*innen, auch mit der südafrikanischen Virusmutation, seien bereits seit langem wieder in Deutschland. „Warum hat das so lange gedauert?“, fragt Schneider den Minister Spahn, bis die Bundesregierung die Gefahr erkannt und gehandelt habe. „Ich halte das für fahrlässig.“ Wenn er Bundesgesundheitsminister wäre, so Schneider, hätte er diesen Vorschlag zur Genanalyse „längst gemacht“.
Bärbel Bas: Bürger wollen Antworten
Deutliche Kritik an Gesundheitsminister Spahn übt auch Bärbel Bas, die für Gesundheitspolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Die Fragen der SPD an Spahn seien „nicht unanständig“ und „auch keine Majestätsbeleidigung“. Sie seien auch „kein Wahlkampfgetöse“. Es gehe um ein Thema, das für die Menschen von elementarer Bedeutung sei.
Dazu gehöre die Frage, wie Europa die Verträge abgeschlossen habe oder ob Deutschland Impfstoff hätte dazu kaufen müssen. „Diese Fragen sind nicht unberechtigt, weil es für die Menschen draußen wichtig ist, ob wir alles getan haben, dass dieser Impfstart erfolgreich wird.“
Aus Fehlern lernen
Bas sagt an die Adresse von CDU und CSU: „Man darf auch in einer Koalitionsfraktion fragen, ob die richtigen Schritte eingeleitet wurden.“ Die Debatte sei kein Selbstzweck. Sie müsse „in die Richtung führen, dass wir besser werden, dass wir schneller werden“. Es gehe nicht um „Vergangenheitsbewältigung“, sondern darum, aus Fehlern zu lernen.
Zur Erhöhung der Produktionskapazitäten sei ein Impfgipfel von Politik und Pharmaunternehmen der richtige Weg. Ziel müsse sein, „dass man alle Pharmaunternehmen an einen Tisch holt“ und fragt: „Sind wir auf dem richtigen Weg? Wer kann noch helfen?“
Viele Defizite – auch in den Bundesländern
Bärbel Bas nennt die Kritik der Bundesländer an verzögerten Impfstofflieferungen des Bundes berechtigt. Schwierigkeiten gebe es auch bei der Terminvergabe für Impfungen. Es laufe hier nicht in allen Bundesländern gut. Am Impfmanagement „kann man noch eine Menge verbessern“.
Auch die Aufklärung der Bürger*innen über das Impfen müsse besser werden. Viele Verschwörungsmythen geisterten durch das Land. Es müsse deutlich gemacht werden, „dass es kaum Nebenwirkungen gibt“. Konkret sagt Bärbel Bas Richtung Jens Spahn: „Der Gesundheitsminister muss auch in den Bereich der Aufklärung noch ein Stück besser werden.“
Gemeinsam besser werden
Das generelle Ziel müsse sein, „dass wir gemeinsam Bund, Land und auch wir als Parlament, als Kontrollorgan, die Aufgabe haben, gemeinsam besser zu werden, um aus dieser Krise und der Pandemie herauszukommen.“ Das sei man den Menschen schuldig. Dazu gehöre es auch, die richtigen Fragen zu stellen und die richtigen Antworten darauf zu finden.