Corona-Herbst: Für wen Lauterbach wann die vierte Impfung empfiehlt
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Anfang August hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) ihre Vorschläge für die geplanten neuen Corona-Schutzmaßnahmen vorgestellt. Im Anschluss gab es reichlich Diskussionsbedarf über eine mögliche vierte Impfung, neue Regeln und fehlende Grenzwerte. Für den Gesundheitsminister Grund genug, nach seiner überstandenen Corona-Infektion auf die Kritik einzugehen. Am Freitag stellte er sich in Berlin den Fragen der Presse.
Mehrfach impfen statt Maske tragen?
Sollten die Änderungen am Infektionsschutzgesetz im September im Bundestag verabschiedet werden, würde ab Oktober folgende Regel gelten: Wer frisch geimpft bzw. genesen ist oder einen negativen Schnelltest vorweisen kann, kann auch in Innenräumen, beispielsweise im Restaurant, komplett auf die Maske verzichten. „Frisch“ bedeutet dann aber: nur drei Monate nach Impfung oder überstandener Infektion. Über diese Ausnahme und überhaupt über die Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen, müssen aber die Bundesländer entscheiden.
Dass jeder Mensch sich deshalb alle drei Monate impfen lassen müsse, sei ein Irrtum, erklärte Lauterbach. Er würde das niemandem empfehlen „und das wird vermutlich auch kein Arzt machen“. Auch Impfungen, die länger zurück liegen, schützten weiterhin vor schweren Krankheitsverläufen, betonte der Gesundheitsminister.
Bei dem Zeitraum von drei Monaten geht es vielmehr um den Infektionsschutz, wie Lauterbach weiter erklärte: In den ersten drei Monaten nach einer Impfung sei der Infektionsschutz sehr hoch, sinke dann aber ab. Wer frisch geimpft ist – so die Logik – von dem geht also nur ein geringes Risiko aus, dass er oder sie infiziert ist und andere ansteckt. „Es ist eine Möglichkeit, mehr Sicherheit zu bieten“, so Lauterbach. „Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass sich jemand alle drei Monate impfen lässt, nur um ohne Maske zum Tisch gehen zu dürfen.“ Ein negativer Schnelltest reiche außerdem auch aus, am Tisch müsse die Maske im Restauran dann ohnehin nicht mehr getragen werden.
Sollten neue, auf die Omikron-Mutation angepasste Impfstoffe länger vor Infektionen schützen, könnten außerdem aus den drei Monaten vier oder fünf werden, ließ Lauterbach durchblicken. Diese Möglichkeit sei im Gesetzesentwurf berücksichtigt. Ob jemand frisch geimpft ist, soll außerdem bei Kontrollen künftig gut sichtbar sein: Frisch Geimpfte erhalten für drei Monate einen grünen Impfnachweis in der Corona-Warn-App, ältere Zertifikate bleiben blau.
Vierte Impfung für alle?
Nach einer Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind aktuell in Deutschland fast 78 Prozent mindestens ein Mal gegen das Coronavirus geimpft – fast 62 Prozent haben sich auch schon die zweite und dritte Impfung (Booster) geholt. Diese Zahlen sind in den vergangenen Wochen und Monaten kaum gestiegen. Entsprechend dürfte im Herbst ein Großteil der Menschen nicht mehr als „frisch geimpft“ gelten. Kommt dann also bald die Empfehlung für alle für die vierte Impfung?
Dagegen spricht die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkomission (STIKO), die diese nur für Menschen ab 70 empfiehlt. Dieser grundsätzlichen Empfehlung schließen sich sowohl Karl Lauterbach als auch der Infektionsforscher und Arzt Leif Erik Sander an. Allerdings verweisen sie auch auf individuelle Abwägungen: Wer viele Kontakte zu anderen Menschen oder gefährliche Vorerkrankungen habe, für den könne eine vierte Impfung schon jetzt sinnvoll sein. „Ich würde jedenfalls nicht davon abraten“, so Sander. Eine Notwendigkeit sieht er mit Blick auf den Impfschutz aber nicht.
In Vorbereitung ist aber bereits die nächste Impfkampagne, wenn die auf Omikron-Variante angepassten Vakzine zugelassen sind. Diese könnten laut Sander dann auch ein gutes Angebot für jüngere Menschen sein. Mit einer Zulasung wird in den kommenden Monaten gerechnet.
Jüngeren Menschen empfiehlt Lauterbach deswegen zunächst ein Gespräch mit dem Hausarzt. Er selbst habe sich vor einiger Zeit bereits ein viertes Mal impfen lassen, weil er als Minister viele Kontakte habe. Doch auch die vierte Impfung bietet eben keinen hundertprozentigen Schutz: Auch Lauterbach infizierte sich vor kurzem mit dem Coronavirus, der Auftritt bei der Bundespressekonferenz war einer seiner ersten öffenlichen Termine nach der überstandenen Infektion.
Ohne Grenzwerte in den Herbst?
Vor allem aus den Reihen der Bundesländer wird kritisiert, dass für die neuen Schutzmaßnahmen klare Regeln fehlten, auch ab wann sie gelten sollen. Dem entgegnete Lauterbach am Freitag pragmatisch: Er gehe davon aus, dass auch ohne klare Schwellenwerte die Situation im Herbst eindeutig genug sei, dass in den Bundesländern die entsprechenden Schutzmaßnahmen beschlossen werden. Neben den bereits üblichen Werten – beispielsweise Infektions- und Todeszahlen oder der Belastung der Intensivstationen – soll künftig auch das Abwasser auf die Virusbelastung hin untersucht werden. „Das Pandemieradar wird viel genauer sein als früher“, so Lauterbach, für Vorschläge beim nächsten Treffen der Ministerpräsident*innen zeigte er sich aber offen: „Ich bin einfach gespannt, was da kommt.“