Inland

Clan-Kriminalität: Warum Verwandtschaft nicht genügt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will die Ausweisung von Clan-Kriminellen erleichtern. Anders als von vielen berichtet, geht es dabei um Angehörige einer kriminellen Vereinigung und nicht um die reine Familienzugehörigkeit.
von Christian Rath · 8. August 2023
Hat in der vorigen Wochen einen „Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ vorgelegt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Hat in der vorigen Wochen einen „Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ vorgelegt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser

SPD-Innenministerin Nancy Faeser will die kriminellen Angehörigen von Clans auch ohne strafrechtliche Verurteilung ausweisen. Dies ergibt sich aus dem „Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“, den die Ministerin vorige Woche veröffentlicht hat.

Manche Medien verstanden den Passus so, als ob nun Clanmitglieder „kollektiv abgeschoben“ werden sollen, „auch wenn sie individuell keine Straftaten begangen haben“. Die Süddeutsche Zeitung hatte mit ihrem Bericht diese Deutung nahegelegt. „So könnten womöglich auch entfernte Familienmitglieder, die mit Kriminellen lediglich den - arabischen - Nachnamen gemeinsam haben, pauschal in Mithaftung genommen werden“, hieß es dort.  

Familienzugehörigkeit ist keine kriminelle Aktivität

Ein Sprecher des Innenministeriums stellte nun klar, dass bei jedem einzelnen Familienmitglied, das entsprechend der vorgeschlagenen Regelung ausgewiesen würde, ein Bezug zu kriminellen Aktivitäten vorhanden sein müsste. Er betonte: „Eine Familienzugehörigkeit ist keine kriminelle Aktivität“.

Der Unterschied zur jetzigen Rechtslage bestünde vor allem darin, dass für eine Ausweisung nicht mehr zwingend eine strafrechtliche Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung notwendig ist. Vielmehr soll es genügen, dass „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist“.

So geht es im fraglichen Passus des Diskussionsentwurf um eine Änderung von Paragraf 54 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Dort sind Gründe genannt, die für ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ des Staates sprechen. Unter Nr. 2 geht es konkret schon bisher um die Gefährdung der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ und Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik.

Von „Clans“ nicht die Rede

Hier soll als neuer Unterfall - neben Terror-Verbindungen - aufgenommen werden, dass jemand einer kriminellen Vereinigung „angehört oder angehört hat“. Von „Clans“ ist im vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut nicht die Rede, sondern es geht um alle „Vereinigungen im Sinne des § 129 des Strafgesetzbuches“. Das Verb „angehören“ bezieht sich hier also nicht auf eine Verwandtschaft, erst recht nicht auf eine bloße Namens-Verwandtschaft.

Es soll vielmehr bereits genügen, dass die Behörden annehmen, jemand gehöre der Organisierten Kriminalität an. Es geht also nicht um Maßnahmen gegen Menschen, die „individuell keine Straftaten begangen habe“. Denn die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ist eine Straftat. Abgesenkt werden nur die Beweisanforderungen und die rechtsstaatlichen Sicherungen.

Justizielle Kontrolle bleibt

Die Maßnahme soll aber auch nach Faesers Vorschlag nicht ohne justizielle Kontrolle erfolgen. Denn gegen eine Ausweisung können die Betroffenen natürlich eine Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Und wenn die Indizien für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu gering sind, dürfte eine Klage auch Erfolg haben.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Unterschied zwischen Ausweisung und Abschiebung. Bei der Ausweisung wird einem Ausländer das bestehende Aufenthaltsrecht entzogen, zum Beispiel weil er Straftaten begangen hat. Die Abschiebung ist dann die konkrete Verbringung eines ausreisepflichtigen Ausländers in ein anderes Land. Selbst wenn eine Ausweisung rechtskräftig wird, heißt das aber nicht, dass eine Abschiebung möglich ist. Denn oft gibt es keinen Staat, der zur Aufnahme bereit ist.

Faeser hatte die erleichterte Ausweisung von kriminellen Clan-Angehörigen in ihrer Vorstellung des Diskussionsentwurfs nicht hervorgehoben. Deshalb hatte das Thema vorige Woche noch keine Rolle gespielt. Aus Faesers Sicht war der wichtigste Punkt ihres - nicht in der Bundesregierung abgestimmten - Diskussionsentwurfs, eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage. Dieser Gewahrsam, bei dem keine Fluchtgefahr erforderlich ist, dient nur der organisatorischen Vorbereitung von Abschiebungen. 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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