Chancenkonto: Wie die SPD nicht nur in Netze, sondern auch in Köpfe investieren will
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Keine Utopie, sondern ein konkreter Vorschlag, um die Umbrüche in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung zu gestalten: Die Rede ist vom Chancenkonto für Erwerbstätige. Am Sonntag hatte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz das Chancenkonto als Bestandteil seines Zukunftsplans für ein gerechteres Deutschland in Berlin vorgestellt.
Geld für berufliche Weiterbildung
Mit Blick auf die Union, die zwar Vollbeschäftigung verspreche, aber nichts darüber sage, wie sie das erreichen wolle, hatte Schulz konkrete Vorschläge gemacht, wie Deutschland auf die Umbrüche u.a. in der Arbeitswelt reagieren müsse. Dazu zählten neben einem Recht auf Weiterbildung, dem Umbau der Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitsversicherung auch die Einführung eines Chancenkontos für Erwerbstätige.
Ausgebrütet wurde die Idee im Bundesarbeitsministerium. Dort wurde unter Federführung von Ministerin Andrea Nahles über mehrere Jahre ein Dialogprozess zum Thema Arbeiten 4.0 mit Experten der Sozialpartner, Verbände, Unternehmen und Wissenschaft geführt. Das Chancenkonto wurde als eine richtige Antwort auf die Umbrüche in der Arbeitswelt identifiziert. Denn wenn sich wie in Zeiten des digitalen Wandels Berufsbilder und Anforderungen ändern, müssen Beschäftigte die Möglichkeit haben, sich zu qualifizieren, um sich vor einem drohenden Jobverlust zu schützen.
Nicht nur in Netze, auch in Köpfe investieren
Das Chancenkonto soll danach im Sinne eines „Sozialerbes“ jedem jungen Menschen zur Verfügung stehen und mit einem steuerfinanzierten Guthaben von bis zu 20.000 Euro ausgestattet sein. Dieses Guthaben soll für Auszeiten genutzt werden können, beispielsweise für die Finanzierung von Weiterbildungen oder für Zeiten beruflicher Neuorientierung. Das Chancenkonto soll dabei keine bestehende oder geplante Sozialleistung ersetzen, vielmehr sei vorgesehen, dass das Guthaben während des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II eingefroren wird.
Die Kritik, vor allem an den Kosten eines solchen Kontos, hält Bundesarbeitsministerin Nahles für „völligen Unsinn“, da sich das Chancenkonto auf das gesamte Berufsleben beziehe und nur bei Bedarf eingesetzt werde. „Richtig teuer wird es für den Steuerzahler nur, wenn wir nicht in die Qualifizierung investieren“, betont sie. Außerdem gehe es bei Investitionen nicht nur um den Ausbau digitaler Netze und um Infrastruktur, „sondern auch in die Herzen und Köpfe der jungen Menschen in unserem Land“. Beim Ausbau der Qualifizierung sei es wie beim Ausbau der Kinderbetreuung: „Es führt kein Weg daran vorbei“, sagt Nahles. Für sie eine Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen.
Die Bundesarbeitsministerin hatte das Konzept zum Chancenkonto im Mai auf einer Veranstaltung der re:publica, einer Konferenz rund um die Themen der digitalen Gesellschaft, zur Diskussion gestellt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.