Inland

Carsten S. entschuldigt sich

von Thomas Horsmann · 21. Juni 2013

Die Verhandlungswoche im NSU-Prozess in München war von der weiteren Befragung des Mitangeklagten Carsten S. geprägt. Sie endete mit einer Entschuldigung des NSU-Helfers, in der er die Angehörigen der Opfer um Verzeihung bat – ein Wochenrückblick.

Die Verhandlungswoche begann am Dienstag mit der weiteren Befragung von Carsten S. Zu Beginn fügte der 33-Jährige seiner Aussage noch eine weitere Erinnerung hinzu. Kurz vor seinem Ausstieg aus der Neonazi-Szene sei er von jungen Kameraden angesprochen worden, ob er etwas mit dem untergetauchten NSU-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zu tun habe. Das habe er bestätigt.

Auch Tino Brandt, ein führender Kopf der Neonazi-Szene und später enttarnter V-Mann habe gewusst, dass er Kontakt zu dem Trio gehabt habe. Nach seinem Ausstieg Ende 2000 habe er mit niemandem mehr über den NSU gesprochen. Er habe das Trio schützen wollen.

Warum Carsten S. jedoch auch nichts unternahm, als im klar geworden war, dass der NSU Schusswaffen nicht zur Selbstverteidigung verwandte, blieb unklar. Damals hatte ihm der Mitangeklagte Ralf Wohlleben erzählt, dass die drei „einen angeschossen“ hätten. Die Bundesanwaltschaft hat auf Grund dieses Hinweises Ermittlungen aufgenommen. Bislang ist keine Straftat bekannt, die dazu passen würde.

Immer wieder Erinnerungslücken


Die Aussage von Carsten S. zu einem bislang unbekannten Anschlag des NSU mit einer Taschenlampen-Bombe in Nürnberg konnte indes geklärt werden. Bei dem Bombenattentat war 1999 ein Mann in einer Nürnberger Gaststätte verletzt worden. Der Generalbundesanwalt leitete in diesem Fall weitere Ermittlungen gegen Beate Zschäpe ein.

Carsten S. machte bei seiner Befragung durch die Anwälte der Nebenkläger in dieser Woche keine besonders gute Figur. Zu oft blieben seine Auskünfte oberflächlich. Kaum zu glauben, dass ein Mann, der sich in der Neonazi-Szene so stark engagierte, letztlich so wenig wusste. Zumindest gab S. immer wieder an, sich nicht erinnern zu können.

Dass die Vernehmung von S. so zäh verlief, lag aber auch an den unpräzisen Fragen der Nebenklage. Richter Manfred Götzl musste zudem immer wieder eingreifen, um Suggestivfragen zu verhindern.

„Mir fehlen die Worte“


Am Ende seiner Vernehmung setzte Carsten S. am Mittwoch doch noch einen positiven Akzent. Er entschuldigte sich bei den Angehörigen der NSU-Opfer. „Ich kann nicht ermessen, was Ihre Angehörigen für unglaubliches Leid und Unrecht angetan wurde. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie ich empfinde. Da finde ich nicht die passenden Worte, was das in mir auslöst. Ich bin mir auch absolut sicher, ich denk mir eine Entschuldigung wäre zu wenig. Das klingt für mich wie ‚Sorry’ und dann ist es vorbei. Aber es ist noch lange nicht vorbei. Ich möchte Ihnen mein tiefes Mitgefühl ausdrücken.“

Carsten S. bekannte sich mehrfach zu seiner Verantwortung im Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen: „Ja, ich fühle Verantwortung, dass ich mich damals schuldig gemacht habe, die Waffe zu übergeben und die Sache dann wegzuschieben“, sagte er. Er fühle auch Verantwortung, weil er die Polizei nicht informiert habe.

Am Donnerstag forderten Ralf Wohllebens Anwälte, die Aussagen von Carsten S. vor Gericht nicht zu verwenden und Wohlleben deshalb aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Der Grund: Carsten S. weigerte sich, Fragen von Wohllebens Verteidigern zu beantworten, so lange dieser selbst zu den Vorwürfen schweige.

Hatten die Anwälte von Beate Zschäpe während der Vernehmung von Carsten S. geschwiegen, so versuchten sie am Donnerstag mit ihren Einsprüchen zu verhindern, dass der psychiatrische Gutachter Henning Saß den Mitangeklagten ordentlich befragen konnte. Richter Götzl unterband diesen Versuch.

Zuvor hatte Richter Götzl schon den Antrag von Zschäpes Rechtsbeistand zurückgewiesen, das Verfahren einzustellen. Die Verteidiger hatten dies am vierten Prozesstag gefordert, weil ihre Mandantin durch die Berichterstattung in Medien und durch Politiker bereits vorverurteilt worden sei. Die Ermittlungen seien dadurch beeinflusst worden. Richter Götzl sah jedoch keine Anhaltspunkte dafür und lehnte den Antrag ab.  

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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