Inland

Cannabis-Legalisierung: Wo mögliche Gefahren lauern

Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung Cannabis legalisieren. Während der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert das begrüßt, sieht SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler die Entwicklung kritisch. Was befürchtet er?
von Sebastian Thomas · 27. April 2023
Noch in diesem Jahr soll es soweit sein: Cannabis wird legal. SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler steht dem Vorhaben kritisch gegenüber, der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert hingegen sieht mehr Vor- als Nachteile.
Noch in diesem Jahr soll es soweit sein: Cannabis wird legal. SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler steht dem Vorhaben kritisch gegenüber, der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert hingegen sieht mehr Vor- als Nachteile.

„Nach meiner Einschätzung bedeuten die Pläne zur Cannabis-Legalisierung, dass wir faktisch jede Kontrolle aufgeben“, sagt Sebastian Fiedler, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Innen- und Rechtsausschuss. Laut dem neuen Eckpunktepapier, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Mitte April vorgelegt hat, soll der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis künftig straffrei sein – diese Menge darf eine erwachsene Person in der Öffentlichkeit bei sich tragen.

Sollen Polizeiautos künftig mit Briefwaagen ausgestattet sein?

Bereits an dieser Stelle stellen sich für Fiedler viele Fragen: „Was passiert ab 26 Gramm?“, fragt er. Das sei für ihn noch unbeantwortet. „Nehmen wir mal an, ab 26 Gramm wäre es eine Straftat. Dann würde auch erst ab dieser Menge ein strafrechtlicher Anfangsverdacht entstehen, für den wiederum die Polizeiautos künftig mit Briefwaagen ausgestattet werden müssten.“

Offen bleibe zudem die Frage, woher das Cannabis stammt, also „von der Mafia, aus dem eigenen Anbau zuhause oder aus den ‚Cannabis-Clubs‘“, sagt Fiedler. „Das heißt, wir schaffen wirklich paradiesische Zustände für die Organisierte Kriminalität. Der Anbau in Privatwohnungen kann problemlos mehrere hundert Tonnen im Jahr erreichen. Kontrollieren können wir davon nichts.

Wenn in Ermittlungsverfahren irgendwo 20 Kilogramm Cannabis gefunden werden, müssten die Strafverfolger künftig nachweisen, dass es nicht aus legalen Quellen stammt. Das wird in vielen Fällen nicht mehr möglich sein.“ Sebastian Fiedler führt das zu einer düsteren Prognose: „Wenn der Staat die Kontrolle faktisch aufgibt, könnte der Schwarzmarkt größer werden und nicht kleiner.“

Staat kontrolliert durch Eigenanbau, woher das Cannabis stammt

Dem widerspricht Burkhard Blienert, der Drogenbeauftragte der Bundesregierung. „Beim Eigenanbau und bei den Cannabis-Clubs wissen wir, woher das Cannabis kommt“, sagt er. In den Clubs werde es „Verantwortung und Pflichten“ geben. So werde gewährleistet, „dass die Leute nicht darauf angewiesen sind, zum Dealer an der Ecke zu gehen“. Blienert sieht deshalb in den „Cannabis-Clubs“ einen „Schritt zur Austrocknung des Schwarzmarkts“.

SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sieht dagegen bei den „Cannabis-Clubs“ noch enormen Gesprächsbedarf. Nach den Plänen von Karl Lauterbach soll der gesamte Cannabis-Markt kontrollierbar werden, also vom Anbau über die Produktion bis hin zum Verkauf. „Die Pläne, dort Cannabis in neutralen Verpackungen abzugeben, konterkarieren diese Pläne“, sagt Fiedler.

„Eine Verpackung mit Steuerbanderole sollte das Mindeste sein. Außerdem muss klar sein, dass für diese Vereine ähnliche Vorschriften gelten, wie im Bremer Glücksspielrecht.“ Die Vorstände müssten zuverlässig und dürfen nicht vorbestraft sein. Außerdem müssten sie nachweisen, woher das Geld für den Club kommt. „Wir wissen nämlich von EUROPOL, dass die Organisierte Kriminalität schon plant, in Deutschland groß einzusteigen, wenn legalisiert wird“, so Fiedler.

Organisierte Kriminalität wird Jugendliche unter 18 ins Visier nehmen

Er hat zudem die Befürchtung, dass die Organisierte Kriminalität bei ihren Vertriebsbemühungen künftig neue Schwerpunkte setzen könnte. Sie könnten sich besonders auf die Zielgruppe konzentrieren, für die der Erwerb und Besitz auf jeden Fall illegal bleiben wird: Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.  Sie sind für die Dealer besonders interessant, weil sie nicht in „Cannabis-Clubs“ gehen dürfen.

Überall dort, wo die Konkurrenz durch „Cannabis-Clubs“ und Eigenanbau hoch wird, könnte sich die Mafia zudem auf den Verkauf anderer, härterer Drogen konzentrieren: „Wir haben heute schon große Probleme durch neue Höchststände bei den Drogentoten und denjenigen, die in medizinischer Behandlung sind. Kokain, Crystal Meth, Amphetamine oder Heroin sollten uns ernsthafte Sorgen machen.

Da explodieren teilweise die Märkte, soviel Zeug ist in Umlauf“, erklärt der Fiedler, der bis zu seinem Einzug in den Bundestag Kriminalbeamter war. Burkhard Blienert will deshalb die Freigabe von Cannabis auch nutzen, um eine ehrliche Debatte über den Konsum von Drogen in der Gesellschaft zu führen. „Drogen gehen jeden an“, sagt er und betont, er wolle „wegkommen von einem stigmatisierenden Blick auf Drogenkonsumierende“.

Nach Legalisierung brach in Kanada der Schwarzmarkt um die Hälfte ein

Dabei setzt der Drogenbeauftragte vor allem auf Aufklärung und Prävention. Als Beispiel nennt Blienert Kanada, wo nach der Legalisierung von Cannabis der Schwarzmarkt um die Hälfte eingebrochen sei. Sebastian Fieder beruhigt das nicht. Er sieht eine Gefahr bei der Organisierten Kriminalität an sich: „Wenn es bei legalen Geschäften Ärger gibt, zieht man vor Gericht.

Auf illegalen Märkten hingegen arbeitet man bei Problemen mit Gewalt und Korruption. Unruhe und neue Verteilkämpfe auf den illegalen Märkten steigern das Risiko, dass Gewalt und Korruption zunehmen. Was das bedeuten kann, sehen wir mit Blick auf die Niederlande“, erklärt er. Keines dieser Themen sei seiner Meinung nach ausreichend adressiert und darüber müsse dringend noch gesprochen werden.

„Wenn nur ein Teil meiner Annahmen zuträfe, wäre das Grund genug zu großer Sorge. Wir sind als Gesetzgeber dafür verantwortlich, alle Risiken zu bedenken und so gut wie möglich auszuschließen. Derzeit sind die Märkte komplett illegal. Wenn wir nun den Hebel von null auf 100 umlegen, verlieren wir jede Kontrolle“, schlussfolgert Sebastian Fiedler. In einem sind er und Burkhard Blienert dennoch einig.

Beide sind sich einig: Staatliche Repression ist gescheitert

„Bei aller Kritik an den vorgestellten Plänen finde ich einen Aspekt vollkommen richtig: Wir sollten Konsument*innen von Drogen – egal welchen – nicht mit dem Strafrecht begegnen. Das macht von vorne bis hinten keinen Sinn und es hilft niemandem“, sagt Fiedler. Und Blienert betont: „Die Repression ist gescheitert. Der Eigenkonsum ist in Deutschland schon seit den 90er-Jahren mehr oder weniger legal.“

Sebastian Fiedler verweist deshalb auf Portugal. Das habe schon im Jahr 2001 einen äußerst erfolgreichen drogenpolitischen Weg mit viel mehr Prävention beschritten. Ergebnis: weniger Drogentote, weniger jugendlichen Erstkonsument*innen und weniger Begleit- und Beschaffungskriminalität. „Deswegen bin ich schon seit fast zehn Jahren für einen portugiesischen Weg“, sagt Fiedler. „Wenn es dafür keine Mehrheit gibt, sollten wir zumindest die Reihenfolge der Gesetzespläne umdrehen und zunächst nur mit Modellprojekten beginnen, die wir dann ordentlich auswerten können. Erst danach sollten nächste Schritte folgen.“

3 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mi., 06.12.2023 - 14:00

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... bis die heimische Versorgung funktioniert? Die Leute rennen weiterhin zum lokalen Dealer, der sowie schlechte als auch gute Qualitaeten an Haschisch u. Marihuana verkauft. Warum laesst man nicht Import zu, die dann als mandatorisch kontrolllierte und versteuerte Ware im Markt landen - gute Produktvielfalt ist dann garantiert. Alles "giftige", also verunreinigte und verpanschte wird aussortiert - Verluste daraus traegt der Importuer - saubere Ware kann in den Markt gelangen, andere Drogen sind dann nicht mehr an der selben Stelle erhaeltlich, die Drogenmafia wird so also isoliert und ist besser bekaempfbar. Alles angemeldet, offiziell und im Tageslicht im Gegensatz zum Schwarzmarkt. Schwarzgeschaefte koennen dann analog zu Al Capone ueber Steuervergehen, Schwarzarbeit u./o. "Reinheitsgebot" - dieses selbstverstaendlich strafbewehrt - abgehandelt werden. Weniger Arbeit fuer Zoll, Polizei usw. und Aussieben der schwarzen Schafe im "Gesamtmarkt". Uns Erwachsenen kann man schon zutrauen, den Konsum vernueftig zu steuern - die Kiddies und Jugendlichen muss man allerdings konsequent vom Konsum abhalten, zur Not mit regelmaessigen Drogenkonsumkontrollen in offensichtlichen Faellen und Aufklaerung - letztere wird bei ganz jungen Leuten auf mehr o. weniger taube Ohren stossen, wie bisher, deshalb muss eine gewisse Kontrolle stattfinden. Polizei ist der falsche Weg, das sehe ich jetzt schon mehr als 45 Jahre - als Beobachter und selten gelentllichem Konsument.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 10.12.2023 - 11:34

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Herr Fieder ist wohl von Amts wegen Bedenkenträger, aber daß er in CSU-Manier Cannabis und Drogentote in einen Zusammenhang stellt zeigt, daß er noch Informationslücken hat. Wo sind die Drogentoten durch Cannabis ???
Was mir fehlt ist allerdings die Qualitätskontrolle beim Cannabis aus den "Clubs". Noch fehlen die Richtlinien für Verkehrstauglichkeit und dazu ein Nachweiß der psychaktiven Substanz und nicht wie jetzt bei Polizeikontrollen üblich der Nachweiß von schwer ausscheidbaren nichtaktiven Metaboliten (Stoffwechselprodukten).

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 11.12.2023 - 23:49

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Es wird dann weiterhin der Underground-dealer der Hauptanbieter sein, bis die Clubs genuegend liegern koennen. Bei mehr als 2 Mio Cannabisgeniessenden im Land (vermutlich noch mehr) reicht das Hinten u. Vore nicht. Dann sagt die naechste Regierung, mit Sicherheit nicht die SPD in der Richtlinienkompetenz, das Ganze hat nicht zu einem Rueckgang der illegelen Aktivitaeten gefuehrt und nun mache wir es wieder illegeal, wie bisher! Kontrollierter und legaler Import muss her - soll wohl scheitern. Die Waehlerstimmen werden aber dann fehlen - wie gesagt 2 Mio.