Inland

Bürger! Europäer! Mischt euch ein!

von Lars Haferkamp · 11. September 2012

Sie wollen Europa nicht länger den Regierungen und den Finanzmärkten überlassen: führende Intellektuelle und Wissenschaftler aus Deutschland. Sie fordern die Bürger auf, sich an der Debatte über die Zukunft Europas zu beteiligen. Das Ziel: Demokratie und Freiheit dürfen in der Schuldenkrise ebenso wenig unter die Räder kommen wie der Sozialstaat.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den Philosophen Jürgen Habermas gebeten, Forderungen an die SPD-Europapolitik zu formulieren. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger und dem Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hat Habermas deshalb den Aufruf „Für einen Kurswechsel in der Europapolitik“ veröffentlicht. Hierin fordern die drei Autoren eine „deutliche Vertiefung“ der europäischen Integration. Sie sind überzeugt: „Nur durch eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsanleihen des Euroraumes kann das Insolvenzrisiko eines Landes beseitigt oder zumindest begrenzt werden“. Der Euroraum müsse zu einer politischen Union werden, „wenn man die Rückkehr zum monetären Nationalismus ebenso vermeiden will wie eine Eurokrise auf Dauer“.

Der Sozialphilosoph Oskar Negt hat einen „Gesellschaftsentwurf für Europa“ entworfen. Seine Streitschrift, so Negt, „tritt all denen entgegen, die den Europadiskurs auf ein finanzpolitisches Problem reduzieren wollen“. Er spricht „von einer kranken Gesellschaft“, weil sie „zum bloßen Anhängsel der wirtschaftlich Mächtigen und der Börsenkurse geworden ist“. Wenn die Politik keine Lösung der Krise im Interesse der Massen finde, verliere sie das Vertrauen der Bürger. Profitieren davon würden Populisten und Rechtsradikale. Die Demokratie könne nur gerettet werden, wenn die „sozialstaatlichen Errungenschaften“ verteidigt würden.

Der Soziologe Ulrich Beck und der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit haben ein „Manifest zur Neugründung Europas von unten“ vorgelegt. Sein Titel „Wir sind Europa!“ unterstreicht: Beide setzen auf „ein Europa der tätigen Bürger“ ... „als Gegenmodell zum Europa der Eliten und der Technokraten“. Sie fordern ein „Freiwilliges Europäisches Jahr für alle“, das „schöpferische Räume eröffnen“ und so „eine Antwort auf die Euro-Krise“ sein kann. Die Autoren appellieren an den Bürger: „Frage nicht, was Europa für dich tun kann, frage vielmehr, was du für Europa tun kannst!“ 

Die vollständigen Texte zum Nachlesen

Habermas/Nida-Rümelin/Bofinger: spd.de
Negt: Gesellschaftsentwurf Europa, Steidl Verlag, ISBN 978-3-86930-494-6
Beck/Cohn-Bendit: manifest-europa.eu

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Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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