Inland

Bündnis „Soziales Wohnen“ fordert Milliarden gegen steigende Baukosten

Das Bündnis „Soziales Wohnen“ lobt das Ampel-Ziel, 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr bauen zu wollen. Für die Umsetzung braucht es aber ein Sonderfonds in Milliardenhöhe.
von Carl-Friedrich Höck · 14. Januar 2022
Die ambitionierten Baupläne der Ampel-Koalition werden teurer als gedacht, hat das Bündnis „Soziales Wohnen“ errechnet.
Die ambitionierten Baupläne der Ampel-Koalition werden teurer als gedacht, hat das Bündnis „Soziales Wohnen“ errechnet.

Das „Verbändebündnis Soziales Wohnen“ hat am Freitag Forderungen an die neue Ampel-Regierung vorgelegt. Als einen „Weckruf“ bezeichnete der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BAU Robert Feiger das am Freitag vorgelegte Papier des Bündnisses, dem auch der Deutsche Mieterbund, die Caritas Behindertenhilfe- und Psychatrie, der Deutsche Baustoff-Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsneubau (DGfM) angehören.

Lob für Geywitz

Die neue Regierung habe die Messlatte in Sachen Wohnungsneubau hoch gehängt, sagte Feiger. Mit Klara Geywitz habe sie eine Bauministerin, die erkennbar bauen will. Am Vorabend hatte die SPD-Politikerin ihre politischen Ziele im Bundestag vorgestellt, darunter der Neubau von 400.000 neue Wohnungen jährlich. Jetzt sei Finanzminister Christian Lindner gefragt, die notwendigen Gelder freizugeben, ergänzte Feiger. „Wir brauchen einen Sonderfonds Wohnen.“

Nach Ansicht des Bündnisses wird die Bundesregierung deutlich mehr Geld aufwenden müssen, als bisher vorgesehen ist. Das betrifft vor allem die angestrebten 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Je nachdem, wie energieeffizient diese gebaut werden sollen, seien dafür jährliche Subventionen zwischen 5 und 8,5 Milliarden Euro erforderlich. Zu diesem Ergebnis sei eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Verbändebündnisses gekommen. Bisher sei der Staat nur bereit gewesen, 2,2 Milliarden Euro zu investieren. Der Bund plane aktuell Zuschüsse in Höhe von einer Milliarde jährlich bis 2024 plus eine weitere Milliarde für den Klimaschutz im sozialen Wohnungsbau. Gemeinsam mit den Ländern solle der Bund nun sicherstellen, dass schon in diesem Jahr ausreichend Fördermittel bereitgestellt werden, drängt das Bündnis zur Eile.

Effizienz-Standards sind Preistreiber

Ein wesentlicher Kostenfaktor ist der Klimaschutz. Dieser sei gut, es gebe ihn aber nicht geschenkt, erläuterte Dietmar Walberg von der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ (ARGE). „Je mehr ich will, desto mehr muss ich am Ende investieren.“ Das Problem: Je effizienter ein Haus gebaut werde, desto größer werde der Mehraufwand pro eingesparter Kilowattstunde Energie. Die eingesparten Heizkosten fielen somit immer weniger ins Gewicht.

Zusätzlich zu den geplanten Sozialwohnungen müssten 60.000 weitere bezahlbare Wohnungen pro Jahr mit einer Kaltmiete von höchstens 8,50 Euro pro Quadratmeter geschaffen werden, fordert das Bündnis. Dafür seien weitere Subventionen von 1 bis 4 Milliarden Euro nötig – je nach Baustandard und Effizienzhausklasse. Günstiger Wohnraum könne auch durch eine „Umnutzungs- und Aufstockungsoffensive“ im Bestand geschaffen werden. Als Anreiz für Investoren solle die lineare Abschreibung, wie von der Koalition geplant, von zwei auf drei Prozent erhöht werden. In Regionen mit Wohnungsmangel solle ergänzend eine Sonderabschreibung um ein weiteres Prozent eingeführt werden – zweckgebunden für Schaffung und Erhalt von bezahlbarem Wohnraum.

Staat soll Bauland bereitstellen

Für den Bau günstiger Wohnungen sollen Bund, Länder und Kommunen Bauland für maximal 300 Euro pro Quadratmeter Fläche zur Verfügung stellen, heißt es im vorgelegten Papier. Zu prüfen sei auch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für den Sozialmietwohnungsbau.

„Wir brauchen eine intelligente Politik, die soziale Belange und Klimaschutzforderungen miteinander verbindet“, sagte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten. Man könne nicht das eine auf Kosten des anderen machen.

Härtefallkommissionen in Kommunen gefordert

Caritas-Geschäftsführerin Janina Bessenich erinnerte daran, dass manche Gruppen auf dem Wohnungsmarkt besonders benachteiligt seien, etwa Menschen mit Behinderung. Auf dem Wohnungsmarkt gebe es „ein soziales Drama“. Das Bündnis plädiert dafür, dass zehn Prozent der neuen Sozialwohnungen für benachteiligte Gruppen vorgehalten werden. Über die Vergabe dieser Wohnungen sollen Härtefallkommissionen entscheiden, die von den Stadt- und Gemeinderäten eingerichtet werden. Die Interessenvertretungen der betroffenen Gruppen sollen stimmberechtigt eingebunden werden. 

Zu den benachteiligten Gruppen zählt das Bündnis auch Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Demenz, betreute Senior*innen, Wohnungslose, Bewohnerinnen von Frauenhäusern, Geflüchtete, Suchtkranke und aus der Haft entlassene Menschen.

Bauen soll schneller werden

Das „Bündnis Soziales Wohnen“ mahnt außerdem an, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Kurzfristig seien in den Bauämtern mehr Fachkräfte einzustellen. Auch müssten sie zügig digitalisiert werden. Um typisiertes und serielles Bauen zu erleichtern, müssten die Bauordnungen der Länder so gestaltet werden, dass Typengenehmigungen bundesweit genutzt werden können.

Das Bündnis hatte aber auch gute Nachrichten. Nach Einschätzung von Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts, werden die meisten Städte bis zum Jahr 2025 einen weitgehend entspannten Wohnungsmarkt haben, sofern die Bundesregierung ihre Neubau-Ziele erreicht. Die Bauwirtschaft könne ihre freiwerdenden Kapazitäten dann umso stärker der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes widmen.

SPD-Politiker Daldrup verweist auf geplantes Bündnis

Bauministerin Klara Geywitz erklärte: Die Pestel-Studie belege, dass es das richtige Ziel sei, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Damit lasse sich der aktuelle Bedarf an Wohnungne decken. „Dafür braucht es eine echte Kraftanstrengung aller Beteiligten am Bau, die wir im Bündnis für bezahlbares Wohnen zusammenbringen und unterstützen wollen.” Damit insbesondere im sozialen Wohnungsbau der Trend umgekehrt werden könne und der Bestand erhöht wird, werde sie sich für eine ausreichende Förderung stark machen, barrierefreie Wohnungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen weiter fördern und rechtliche Möglichkeiten wie die „neue Wohngemeinnützigkeit“ prüfen.

Ähnlich äußerte sich der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernhard Daldrup. Seine Fraktion habe den Wohnungsbau bereits energisch vorangetrieben: „Mit massiven staatlichen Investitionen ist es gelungen, über 1,2 Millionen Miet- und Eigenheime in den letzten Jahren zu bauen – für weitere 780.000 Wohnungen liegen Baugenehmigungen vor.” Gegen steigende Mieten, soziale Verdrängung und Bodenspekulation müsse man etwas tun. Die Antwort darauf sei eine aktive Wohnraumpolitik durch ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“, zu der auch das Bauen von 100.000 Sozialwohnungen im Jahr zähle. „Die zusätzliche Milliarde ist die erste schnelle Reaktion der neuen Koalition.“

Der Text erschien zuerst auf demo-online.de.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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