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Bundesverfassungsgericht: Leiharbeiter dürfen nicht als Streikbrecher eingesetzt werden

Gute Nachrichten für Arbeitnehmer*innen: Das Bundesverfassungsgericht hat ein vom Bundestag 2017 beschlossenes Verbot bestätigt. Danach dürfen Leiharbeiter auch künftig nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Das Verbot sei für Arbeitgeber zumutbar.
von Vera Rosigkeit · 6. August 2020

Geklagt hatte der Betreiber der Cinestar-Kinokette, der immer wieder von der Gewerkschaft ver.di bestreikt wurde, um Tarifverträge durchzusetzen. Bis 2013 gab es bei Cinestar, dem deutschen Marktführer, gar keinen Tarifvertrag. Durch das gesetzliche Streikbruch-Verbot sah Cinestar seine Möglichkeiten, auf die ver.di-Streiks zu reagieren, unverhältnismäßig beschnitten.

Streikbruch-Verbot per Gesetz

Cinestar wurde im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vom Bundesverband der Arbeitgebervereinigungen (BdA) unterstützt, der das Streikbruch-Verbot ebenfalls für verfassungswidrig hielt. Die Große Koalition hatte das Verbot 2017 im Rahmen einer größeren Reform des Arbeitnehmer-Überlassugsgesetzes (AÜG) beschlossen. Mit der Reform sollte vor allem verhindert werden, dass Dauerarbeitsverträge durch Leiharbeit ersetzt werden. Das zusätzliche Streikbruch-Verbot war vor allem auf Wunsch der Gewerkschaften aufgenommen worden. So hatte ver.di 2015 der Post vorgeworfen, sie setze im Tarifkonflikt Leiharbeitnehmer ein.

Bis 2017 gab es nur ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht der Leiharbeiter. Diese konnten vom Arbeitgeber nicht gezwungen werden, die Arbeit von Streikenden zu übernehmen. Nun ist dies ausdrücklich verboten, auch wenn die Leiharbeiter dazu bereit wären. Bei Verstößen drohen dem Arbeitgeber jetzt Geldbußen bis 500 000 Euro.

Ziel: Tarifautonomie wahren

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Verfassungsbeschwerde von Cinestar ab. Das Streikbruch-Verbot sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Arbeitgeber. Es sei vielmehr durch das Ziel gerechtfertigt, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu bewahren. Es sichere die Kampffähigkeit der Gewerkschaften, wenn bestreikte Arbeitgeber nicht einfach Leiharbeiter beschäftigen können, um die Folgen eines Streiks zu vermeiden. Vor allem bei einfachen Tätigkeiten konnten Leiharbeiter nach kurzer Einlernzeit die Arbeit von streikenden Arbeitnehmern ersetzen.

Die Arbeitgeber könnten sich immer noch ausreichend gegen Forderungen der Gewerkschaften wehren, so die Verfassungsrichter, etwa indem sie die Beschäftigten aussperren - was auch Cinestar im Konflikt mit ver.di tat.

Zustimmung von SPD und Gewerkschaften

SPD-Politiker Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, zeigte sich via Twitter erfreut darüber, dass das Bundesverfassungsgericht die noch unter Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles eingebrachte Streikbruchklausel nun bestätigt habe. „Gute Nachricht für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt!“, schrieb er. „Leiharbeitnehmer dürfen nicht als Streikbrecher eingesetzt werden!“

Auch von den Gewerkschaften kam Lob: Die Leiterin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) in der Hans-Böckler-Stiftung Johanna Wenckebach erklärte, dass der Gesetzgeber mit dem Verbot, Leiharbeitskräfte als Streikbrecher einzusetzen, gewichtige Ziele verfolge. „Nämlich, "auch Leiharbeitskräften ein sozial angemessenes Arbeitsverhältnis zu sichern", sowie die Funktionsfähigkeit der Tarifauronomie.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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