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Bundestagswahl: Warum wir Schwarz-Gelb verhindern müssen

Gebrochene Wahlversprechen, peinliches Personal, Klientelpolitik – US-Präsident Donald Trump erntet viel Kritik. Doch auch in Deutschland hat es das alles schon mal gegeben: unter der schwarz-gelben Bundesregierung von 2009 bis 2013. Ein Kommentar.
von Paul Starzmann · 8. August 2017
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Angela Merkel will Kanzlerin bleiben. Die CDU will das natürlich auch, am liebsten mit Unterstützung der FDP. Würde es tatsächlich so weit kommen, dann wäre das katastrophal für Deutschland.

„Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören“

Wer das nicht glaubt, muss nur einen Blick in die jüngste Geschichte werfen: Was die Regierung aus CDU, CSU und FDP zwischen 2009 und 2013 abgeliefert hat, war erbärmlich. Die vier Jahre unter Schwarz-Gelb waren geprägt von gebrochenen Wahlversprechen, peinlichem Polit-Personal sowie schamloser Klientelpolitik – und dem schlechten Benehmen der Regierungsmannschaft.

Eine „bürgerliche“ Koalition wollten Union und FDP damals sein. Stattdessen beschimpften sich ihre Vertreter wie ein Haufen Betrunkener vor der Dorfdisko: FDP-Mann Daniel Bahr keilte mit dem Wort „Wildsau“ gegen die CSU, deren Generalsekretär Alexander Dobrindt pöbelte mit „Gurkentruppe“ zurück. Kanzleramtschef Ronald Pofalla soll 2011 sogar völlig die Contenance verloren haben: „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen“, soll er seinen CDU-Kollegen und Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach angeschrien haben. „Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören.“ Wer hätte damals gedacht, dass diese Sprache einige Jahre später der normale Umgangston im Weißen Haus sein würde?

Union, FDP, Trump: Große Klappe, nichts dahinter

Genau wie heute unter Trump versammelten sich in Merkels Kabinett ab 2009 eine Reihe glückloser Gestalten – und verließen die Regierung bald wieder: Da war der CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich stets als lässiger Saubermann inszenierte, dann aber wegen der Fälschung seiner Doktorarbeit kleinlaut den Hut nehmen musste. Auch Annette Schavan, Kanzlerfreundin und CDU-Bildungsministerin, stolperte ausgerechnet über den in bürgerlichen Kreisen heiß begehrten Doktortitel. CDU-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung konnte sich nicht einmal länger als 33 Tage im Amt halten. Damals staunten die Menschen nicht schlecht über Merkels Personalkarussell – in Trumps Weißem Haus ist das heute normal.

Nicht nur Merkels Mannschaft, auch die damals beschlossenen Gesetze sollten uns Warnung vor einer Neuauflage einer schwarz-gelben Regierung sein. Auch hier zeigt sich die Parallele zum heutigen Amerika: Union und FDP hatten stets eine große Klappe, aber nichts dahinter. Und es kam bei Schwarz-Gelb nicht viel mehr als Klientelpolitik heraus – genau wie bisher bei Trump.

„Herdprämie“ und „Extremismusklausel“

So hatten die Liberalen im Wahlkampf stets die widersprüchliche Forderung des „einfacheren und gerechteren Steuersystems“ aufgestellt. Daraus geworden ist: nichts. Nur die Hoteliers wurden unter Schwarz-Gelb per „Mövenpick-Steuer“ besser gestellt. Mutmaßlich als Dank für eine Millionenspende des Mövenpick-Miteigentümers August von Finck. Ohne Not nahm Merkel dann noch die unter Rot-Grün ausgehandelte Energiewende zurück – nur um der Atom-Lobby einen Gefallen zu tun. CDU-Familienministerin Kristina Schröder richtete in der Zwischenzeit mit ihrer „Extremismusklausel“ das Visier auf den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Neonazis, während der sogenannte NSU mordend durch ganz Deutschland zog. Und die CSU hatte die gesamten vier Jahre tatsächlich nichts Besseres zu tun als die „Herdprämie“ durchzusetzen, die dann 2015 vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde.

Angela Merkel fand das alles offensichtlich nicht schlimm, ließ sich nicht stören von der Klientelpolitik, dem Chaos, den Pöbeleien in den eigenen Reihen. „Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“, sagte die CDU-Vorsitzende 2012 über ihr schwarz-gelbes Kabinett. Auch das hat – im Nachhinein betrachtet – ein bisschen was von Trump: Der glaubt ja auch, seine Regierung sei die beste in der Geschichte der USA.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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