Bundestag: Warum SPD-Politiker weiter auf Rot-rot-grün setzen
Vier Jahre lang wurde die Chance nicht genutzt, jetzt ist die rot-rot-grüne Parlamentsmehrheit weg. Lagen SPD, Linke und Grüne bei der Bundestagswahl 2013 noch hauchdünn vor der Union, konnten die drei Parteien dieses Jahr nicht einmal 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Rot-rot-grün – auch „R2G“ genannt – hat im Bund derzeit keine Chance. Allerdings sind Vertreter von SPD, Linken und Grünen dennoch nicht bereit, ihren Traum von der Mitte-Links-Regierung aufzugeben.
Nach Aus für „Jamaika“: Was kann der Bundestag tun?
Sie wollen die aktuelle Lage nutzen, um die Zusammenarbeit ihrer Parteien im Bundestag auszubauen. „Das ist eine besondere und sehr spannende Zeit“, sagt der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe. „Es gibt keinen Automatismus zu irgendeiner Option. Es ist eher die Frage: Was kann das Parlament in der jetzigen Situation tun?“
Schwabe ist Sprecher der „Denkfabrik in der SPD-Bundestagsfraktion“, einem Zusammenschluss linker und eher junger sozialdemokratischer Abgeordneter. Seit Jahren diskutieren sie die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit im Bund. In einem Papier bekräftigen sie jetzt ihre Ideen – gemeinsam mit Kollegen von Linken und Grünen.
Zeit für mehr Inhalte
„Sozial, ökologisch, friedlich!“ lautet der Titel. „Die derzeitige Phase begreifen wir auch als Chance, von ausgetretenen politischen Pfaden abzuweichen sowie ritualisiertes Verhalten zu hinterfragen“, heißt es in der Stellungnahme. Es ist ein Appell an die Bundespolitik, auch mal unkonventionelle Wege zu gehen. Vor allem aber: jetzt nichts zu überstürzen.
„Die Pause zwischen dem Abbruch der Sondierungen zwischen Union, Grünen und FDP und den Gesprächen, die der Bundespräsident gerade führt, sollte nicht wieder mit vorschnellen Forderungen und Festlegungen gefüllt werden“, sagt der SPD-Abgeordnete Sönke Rix, ebenfalls Denkfabrik-Sprecher. Er kritisiert, dass die SPD-Führung seit dem Ende der Jamaika-Verhandlungen zu schnell Entscheidungen getroffen habe – und fordert: „Vielmehr sollten wir diese, wenn auch nur kurze, Zeit nutzen, um mal festzulegen, was wir inhaltlich wirklich wollen“.
Kontrolle der geschäftsführenden Regierung
Egal ob es bald zu einer neuen Bundesregierung kommt oder zu Neuwahlen – das Parlament soll laut dem R2G-Papier jetzt vor allem eines tun: die Arbeit fortsetzen. „Wir legen nicht die Hände in den Schoß“, sagt Frank Schwabe im Gespräch mit vorwärts.de. Er und seine Mistreiter plädieren dafür, „dass wir in der nächsten Sitzungswoche im Dezember alle Ausschüsse im Bundestag einsetzen und diese richtig anfangen zu arbeiten“. Das Parlament müsse die geschäftsführende Bundesregierung kontrollieren und seiner „Rolle als Gesetzgeber in dieser Übergangszeit gerecht werden“. Angetrieben von SPD, Linken und Grünen, so die Idee.
Die Chancen stehen allerdings nicht gut, dass die drei Parteien gemeinsam mit einzelnen Abgeordneten anderer Fraktion in den kommenden Wochen Mehrheiten für neue Gesetzesvorhaben finden. Das weiß auch Frank Schwabe. „Es geht uns einfach darum, unsere Themen im Bundestag auszudiskutieren“, sagt er. „Und sollte es wirklich zu Neuwahlen kommen, dann können wir so klar benennen, wie eine zukünftige rot-rot-grüne Regierung aussehen würde. Denn thematisch gibt es da viele Übereinstimmung.“
Von Asylrecht bis Mietwucher
Die R2G-Befürworter nennen die Bekämpfung prekärer Arbeit oder die Forderung, dass „alle Bürgerinnen und Bürger in gesetzliche Sozialversicherungen einbezogen werden“. Außerdem die Eindämmung von Rüstungsexporten, mehr Klimaschutz, weniger staatliche Überwachung, günstigere Mieten – und keinen „weiteren Rechtsruck in der Asyl- und Innenpolitik“.
Wie R2G in der Praxis aussieht, das zeigt aktuell das Beispiel Berlin: Fast ein Jahr nach Beginn der gemeinsamen Regierungszeit kommen SPD, Linke und Grüne in Umfragen der Hauptstadt nach wie vor auf die absolute Mehrheit. Im Bund sieht es derzeit weniger gut aus für Rot-rot-grün, eine gemeinsame Mehrheit ist nicht in Sicht. In allen drei Parteien zeigen sich die R2G-Fans aber unbeirrt, sie halten an der Idee einer Mitte-Links-Regierung fest. Oder wie der SPD-Politiker Frank Schwabe es ausdrückt: „Wir sind noch da!“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.