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Bundestag vor der Sommerpause: Was die Ampel noch erledigt hat

Sommerpause im Bundestag: In der letzten Sitzungswoche hat die Ampel-Koalition noch viele wichtige Entscheidungen getroffen – von der Energiesicherheit bis zu Afghanistan. Ein Überblick.
von Jonas Jordan · 7. Juli 2022
Der Bundestag geht nach der Sitzung am Freitag, 8. Juli, in die Sommerpause.
Der Bundestag geht nach der Sitzung am Freitag, 8. Juli, in die Sommerpause.

Lange Sitzungstage, kurzfristige Änderungen, zahlreiche Abstimmungen: Im Bundestag war es in den vergangenen Tagen noch sehr geschäftig. Kurz vor der Sommerpause nicht unüblich: Vor der längeren Auszeit des Parlaments versuchen die Fraktionen stets noch einige Gesetzesinitiativen zum Abschluss zu bringen. Auch die Ampel-Koalition hat in diesen Tagen noch einige drängende Entscheidungen herbeigeführt – für die Energieversorgung, aber auch mit Blick auf die Außen- und Verteidigungspolitik.

Energiewende: Osterpaket mit Ausbau-Turbo

Es klingt arg verspätet, im Sommer noch von Ostern zu sprechen – benannt wurde das „Osterpaket“ aber nach dem Zeitpunkt als die Gesetzentwürfe das Kabinett passierten. Am Donnerstag nun wurden die verschiedenen Gesetze, die Windkraft- und Photovoltaik, ja, die Energiewende insgesamt deutlich beschleunigen sollen, im Parlament beschlossen.

Höhere Ausbauziele für die grüne Stromgewinnung, klarere Regeln und Verfahren beim Natur- und Denkmalschutz und allen voran: Der Ausbau der Erneuerbaren als überragendes öffentliches Interesse, damit soll der Ausbauturbo gezündet werden. Für SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch ist es das „größte Paket seit Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetz“ – und kann auch Regeln der Bundesländer kippen, wenn die den Ausbau der Erneuerbaren übermäßig blockieren.

Energiesicherheit: Kohle aus der Reserve

Deutschland hat sich stark von russischen Gasimporten abhängig gemacht. Das ist in den vergangenen Monaten schmerzhaft sichtbar geworden. Ein Zustand, der sich nicht über Nacht ändern lässt und zu weiteren schmerzhaften Entscheidungen führen könnte, sollte Putin den Gashahn ganz zudrehen.

Was tun? Gasheizungen können nicht über Nacht durch Wärmepumpen ersetzt werden, auch die Industrie kann nur bedingt auf Erdgas verzichten. Also hat die Ampel-Koalition mit einer Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes den Weg frei gemacht für eine ungeliebte Alternative: Kohlekraftwerke aus der Reserve sollen im Notfall Erdgas im Strommarkt ersetzen. Ein Ausstieg aus dem Kohleausstieg ist das jedoch nicht.

Der Afghanistan-Einsatz wird augearbeitet

In wenigen Wochen jährt sich der überhastete Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zum ersten Mal. Die Bilder von Kabuler Flughafen gingen im August 2021 um die Welt. Wie es dazu kommen konnte und warum die Lage vor Ort so falsch eingeschätzt wurde, soll nun ein Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Dieser wurde in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause eingesetzt. Am Freitag hat er sich konstituiert. „Wo gab es Fehleinschätzungen und warum? Wo gab es Fehler in der Kommunikation?“ Das sind Fragen, die der Ausschuss-Vorsitzende Ralf Stegner aufarbeiten will, denn: „Es wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir die Bundeswehr ins Ausland schicken. Wir müssen deshalb aus Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen.“

Parallel wird sich noch ein zweites Gremium mit Afghanistan beschäftigen: Am Freitag hat der Bundestag eine Enquete-Kommission dazu eingesetzt. Sie leitet der SPD-Abgeordnete Michael Müller. „Wir wollen die gesamten 20 Jahre des deutschen Engagements in Afghanistan untersuchen“, sagt er. Auch hier stehe der „Blick nach vorn“ im Mittelpunkt. „Das Ergebnis unserer Arbeit wird Grundlage sein für künftig politische Entscheidungen“, ist Müller sicher. „Ich gehe davon aus, dass die Arbeit der Enquete-Kommission mindestens zwei Jahre dauern wird, eher länger“, sagt er. Bis zum Ende der Legislatur 2025 sei „die Aufgabe aber gut zu bewältigen“.

Nato: Schweden und Finnland willkommen

Die NATO, das nordatlantische Verteidigungsbündnis, soll zwei Neuzugänge erhalten. Schweden und Finnland wollen auch angesichts der gestiegenen Bedrohungslage nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Mitglieder der Organisation werden. Der Bundestag hat dafür am Freitag mit breiter Mehrheit grünes Licht gegeben. Die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP, CDU/CSU und weite Teile der AfD stimmten für die Norderweiterung. Damit diese tatsächlich möglich wird, müssen alle 30 NATO-Staaten zustimmen. Außer Deutschland haben das bislang Estland und Kanada getan.

Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte gewählt

Es war eine im Vorfeld viel diskutierte Personalie, die Wahl von Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten in dieser Woche. Letztlich fiel sie deutlich aus. 376 Abgeordnete votierten im Bundestag für die 42-Jährige, 278 gegen die Besetzung, bei 14 Enthaltungen. Damit wurde die notwendige sogenannte Kanzlermehrheit von 369 Stimmen erreicht. Zugleich endete mit Atamans Wahl eine seit 2018 andauernde Vakanz auf diesem Posten.

Die Journalistin, Autorin und Politologin war von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für das Amt vorgeschlagen worden. Am Dienstag stellte sie sich der SPD-Bundestagsfraktion während deren Sitzung vor, mit ausschließlich positiven Reaktionen, wie die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast am Tag darauf bei einem Pressegespräch berichtete. Die Kritik an Ataman kam zuvor vor allem aus den Reihen der Union, der AfD und von Boulevardmedien.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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