Inland

Bundeskabinett beschließt Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Die Bundesregierung gibt Justiz und Polizei weitere wichtige Instrumente, um Kinder besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Das neue Gesetz von Justizministerin Christine Lambrecht sieht schärfere Strafen, eine effektivere Strafverfolgung sowie verbesserte Prävention und Qualifizierung der Justiz vor.
von Lars Haferkamp · 21. Oktober 2020
Kinder werden oft Opfer im familiären und näheren Umfeld. Das Gesetz von Justizministerin Christine Lambrecht sieht nun schärfere Strafen und eine effektivere Strafverfolgung vor.
Kinder werden oft Opfer im familiären und näheren Umfeld. Das Gesetz von Justizministerin Christine Lambrecht sieht nun schärfere Strafen und eine effektivere Strafverfolgung vor.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gesetz von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder beschlossen. Lambrecht hatte es im Juli erstmals vorgestellt. Das Gesetz beinhaltet sowohl Verschärfungen des Strafrechts und Verbesserungen bei der Strafverfolgung als auch einen Ausbau von Prävention und Qualifizierung des Personals in der Justiz.

Bis zu 15 Jahren Haft drohen

Nun werden die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit dem neuen Begriff „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ bezeichnet, um das Unrecht der Taten klarer zu beschreiben. War der Tatbestand bisher als Vergehen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht, wird er künftig ein Verbrechen sein, mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Auch Verbreitung, Besitz und Besitzverschaffung von Kinderpornografie werden zum Verbrechen hochgestuft, der Strafrahmen steigt auf maximal 15 Jahre. Künftig wird die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers beginnen.

Zur Verbesserung der Strafverfolgung bei schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder wird die Anordnung von Untersuchungshaft unter erleichterten Voraussetzungen ermöglicht. Telekommunikationsüberwachung wird auch bei Ermittlungen wegen des Sichverschaffens oder des Besitzes von Kinderpornografie möglich sein. Onlinedurchsuchungen können angeordnet werden bei sämtlichen Formen der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder sowie der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte.

Familienrichter*innen werden geschult

Schließlich sieht das Gesetz einen Ausbau von Prävention und Qualifizierung der Justiz vor. Die Qualifikationsanforderungen für Familien- und Jugendrichter*innen, Jugendstaatsanwält*innen sowie Verfahrensbeistände von Kindern werden gesetzlich geregelt und damit konkreter und verbindlicher gefasst werden. Die persönliche Anhörung von Kindern in Kindschaftsverfahren wird – unabhängig von ihrem Alter – grundsätzlich vorgeschrieben. Um Kinder und Jugendliche umfassend zu schützen, werden die Fristen für die Aufnahme von relevanten Verurteilungen in erweiterte Führungszeugnisse erheblich verlängert.

„Immer wieder erleben wir, dass Kindern durch erschütternde sexualisierte Gewalttaten unermessliches Leid zugefügt wird“, erklärt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Mit dem Gesetz wolle man diese Gräueltaten mit aller Kraft bekämpfen und Kinder besser schützen. „Täter fürchten nichts mehr als entdeckt zu werden“, so Lambrecht. Deshalb gelte es nun, den Verfolgungsdruck massiv zu erhöhen. „Das schreckliche Unrecht dieser Taten muss auch im Strafmaß zum Ausdruck kommen.“ Für die Justizministerin ist klar: „Wir brauchen höchste Wachsamkeit und Sensibilität für Kinder, die gefährdet sind oder Opfer von sexualisierter Gewalt wurden.“

SPD-Kinderbeauftragte lobt Gesetzentwurf

Susann Rüthrich, die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, sieht in dem Gesetz wichtige Fortschritte: „Dass Familienrichter*innen, Jugendstaatsanwält*innen und Verfahrensbeistände eine umfassende Aus- und Fortbildung bekommen und besonders, dass Kinder grundsätzlich gehört werden sollen, sind Punkte, die mir besonders wichtig sind im Gesetzentwurf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Kindern“, betont sie. „Daneben bleibt Prävention das Wichtigste, damit Kinder gar nicht erst zu Opfern werden.“ Rüthrich betont, dass die gute Ausstattung der Ermittelnden eine Aufgabe der Bundesländer bleibe, damit Straftaten verfolgt werden könnten. „Christine Lambrecht hat einen wichtigen und umfassenden Entwurf vorgelegt“, so die SPD-Kinderbeauftragte. „Was wir im Bereich der Justiz tun können, das tun wir auch."

Dirk Wiese, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher, sehen in dem Gesetzentwurfdie richtige Antwort auf schreckliche Missbrauchsfälle, weil er neben deutlichen Strafmaßverschärfungen auf Prävention setzt“. Weil sexueller Missbrauch von Kindern oft im familiären oder näheren Umfeld der Kinder begangen werde, brauche es Familienrichter*innen, die Gefährdungslagen sofort erkennen. Deshalb sei die Verpflichtung von Familienrichter*innen zu Fortbildungen so wichtig.

SPD-Fraktion: Kinderrechte ins Grundgesetz

Das Verbreiten und der Besitz von Kinderpornographie künftig als Verbrechen einzustufen und mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft zu befdrohen, sei richtig, so Wiese und Fechner. „Denn hinter jedem pornographischen Bild steht das Leid eines Kindes.“ Darüber hinaus werde nun auch der Besitz von kindlichen Sexpuppen unter Strafe gestellt, da das Risiko bestehe, dass Pädophile von diesen Sexpuppen irgendwann auf Kinder übergehen. Da pädophile Kriminelle im Internet und Darknet agierten, stärke der Gesetzgeber die Behörden, indem er Telekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung gegen diese Täter ermögliche.

„Wir wollen Kinder besser vor sexuellem Missbrauch schützen“, betonen Dirk Wiese und Johannes Fechner. „Den überzeugenden und umfassenden Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht werden wir deshalb rasch im Bundestag beraten und verabschieden.“ Die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten wollen noch darüber hinaus gehen: „Um die Rechtsposition von Kindern grundlegend zu stärken, wollen wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern.“

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