Inland

Brüssel nimmt Lobbyisten an die Leine

von Susanne Dohrn · 21. September 2014

Wer wissen will, wer in Brüssel als Lobbyist tätig ist, für den gibt es seit einem Jahr eine Adresse: das gemeinsame Transparenzregister von Europäischem Parlament und Europäischer Kommission.

Einsehbar auch für die Öffentlichkeit sind dort derzeit 4910 Organisationen aufgelistet – kleine Fische wie Zwiebelfreunde und Jäger, aber auch große und finanzstarke Organisationen wie der deutsche Apothekerverband und Banken, große Unternehmensberatungen und Konzerne wie Volkswagen. Jeder kann sich informieren, wie hoch die Budgets für die Lobbyarbeit sind – von wenigen tausend bis zu vielen hunderttausend Euro. Anwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen müssen zudem offen legen, für welche Klienten sie tätig sind und welche Umsätze sie mit ihnen machen.

„Das ist ein richtiger Schritt“, lobt der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Matthias Groote. Auch wenn er sich mehr gewünscht hätte, vor allem, dass der Rat – das Gremium der Staats- und Regierungschefs – dem Register beigetreten wäre. Aber der Rat wehrt sich bislang. „Wir hoffen, dass er sich eines Tages eines Besseren besinnt“, sagt Groote. Er bemängelt zudem, dass das Register nicht verpflichtend ist. Aber mehr sei erstmal nicht erreichbar gewesen.

Wer falsche Angaben macht, fliegt raus

Einige scharfe Zähne hat die neue Regelung dennoch. Wer eine Akkreditierung für Parlament oder Kommission erhalten will, also jederzeit und ohne Einladung die Gebäude betreten will, muss sich ins Register eintragen. Wer das versäumt, wird nur auf spezielle Einladung und als Gast eines Abgeordneten eingelassen. Die Angaben im Register werden stichprobenartig überprüft. Wer falsche Angaben macht, fliegt raus aus dem Register, so Groote. Für die Organisation sind damit nicht nur empfindliche Nachteile verbunden – nämlich kein Zugang mehr zu Parlament und Kommission. Auch der Imageschaden wäre immens. „Das wäre ein Skandal, der sofort öffentlich würde“, ist Groote überzeugt.

Für seine Arbeit als Parlamentarier hat sich, seit es das Register gibt, einiges verändert. „Wenn ich mit Interessenvertretern spreche, gilt für mich: Sind die registriert? Kämpfen die mit offenem Visier?“ Nur dann empfange er sie. Die meisten Parlamentskollegen würden das ähnlich handhaben. Allerdings hätten die Parlamentarier in der Anfangsphase schon ein bisschen Druck auf die Lobbyisten ausüben und sagen müssen: „Wir würden es gerne sehen, dass Sie sich registrieren.“

Legislativer Fußabdruck bleibt umstritten

Organisationen wie Transparency International oder Lobby Control fordern mehr. Sie wollen, dass auch öffentlich gemacht wird, wer an welchen Gesetzen mitgewirkt hat. „Legislativer Fußabdruck“ nennt sich das. Matthias Groote sieht das skeptisch. Wenn Kollegen beispielsweise an einem Bericht zur Außenpolitik arbeiten, empfangen sie beispielsweise Menschenrechtsgruppen und arbeiten mit vertraulichen Informanten. Der Zugang zu solchen Informationen werde abgeschnitten, wenn alle Kontakte öffentlich gemacht werden müssten, ist er überzeugt. Groote: „Ein legislativer Fußabdruck würde wahrscheinlich mehr kaputt machen als er nützen würde.“

Seit dem Januar 2012 gibt es außerdem einen Verhaltenskodex für Abgeordnete. Damit soll das Ansehen des Parlaments gestärkt und das Vertrauen in die Parlamentarier wiederhergestellt werden. Anlass war ein Skandal im Jahr zuvor, als Reporter der britischen „Sunday Times“ mit versteckter Kamera die Bestechlichkeit von drei EU-Parlamentariern – des ehemaligen österreichischen Innenministers Ernst Strasser, des ehemaligen rumänischen Außenminister Adrian Severin und des ehemaligen slowenischen Außenministers Zoran Thaler – dokumentiert hatten. Ihnen wurde eine Position in einem Aufsichtsrat mit entsprechender Bezahlung angeboten.

„Innerhalb von drei Tagen sind sie aus dem Parlament geflogen bzw. aus ihrer Fraktion ausgeschlossen worden“, konstatiert Groote. Geschenke im Wert von mehr als 150 Euro müssen seitdem von den Abgeordneten abgelehnt werden. Außerdem müssen die Abgeordneten bezahlte Nebentätigkeiten veröffentlichen – inklusive der Höhe ihrer Einnahmen.

Link zum Register: http://ec.europa.eu/transparencyregister/public/consultation/listlobbyists.do?locale=de&reset=

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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