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Brennelementesteuer: Wie Angela Merkel in der Energiepolitik gepfuscht hat

Die Brennelementesteuer für Atomkraftwerke verstößt gegen das Grundgesetz, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das zeigt, was für eine desaströse Politik herauskommt, wenn Union und FDP gemeinsam regieren. Ein Kommentar.
von Paul Starzmann · 8. Juni 2017
Atomkraft
Atomkraft

Angela Merkels Energiepolitik ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politik nicht gehen sollte. Sie ist nicht nur eine Abfolge fataler Fehlentscheidungen. Sie zeigt auch, wie hörig Union und FDP den Lobbyisten der Industrie hinterherlaufen.

Die Atom-Lobby holt den Champagner raus

Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht dem Kanzleramt die Rechnung präsentiert für den jahrelangen Pfusch, den Union und FDP zu verantworten haben: Die 2011 unter Schwarz-Gelb eingeführte Brennelementesteuer ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren, entschieden die Richter. Die Regierung dürfe nicht einfach irgendwelche Steuern erfinden, sagten sie. Der Staat muss den Energiekonzernen deshalb voraussichtlich rund 6,3 Milliarden Euro zurückzahlen – plus Zinsen. Atom-Manager und Aktionäre können die Champagnerflaschen aus dem Kühlschrank holen.

Das Urteil zeigt: Das „Kernbrennstoffsteuergesetz“ war von Union und FDP handwerklich mehr als schlecht erarbeitet. Jetzt rächt sich der Pfusch – und freut die Atom-Lobby.

Schwarz-Gelb: ein fast vergessenes Problem

Im Grundgesetz gibt es strenge Regeln, auf welche Güter der Bund Steuern erheben darf. Brennstäbe in Atomkraftwerken zählen nicht dazu. Das hätten Merkels Juristen eigentlich wissen müssen, als sie vor sieben Jahren an dem Gesetzentwurf bastelten. Aber offenbar ist eine verfassungskonforme Energiepolitik von Schwarz-Gelb zu viel verlangt.

Damit ruft das Urteil des Bundesverfassungsgericht ein fast vergessenes Problem ins Gedächtnis: Es zeigt, was für eine desaströse Politik herauskommt, wenn Union und FDP gemeinsam regieren.

Atomkraft – bei der Union eine Glaubensfrage

So war der jahrzehntelange Streit um die Atomkraft in Deutschland schon längst beigelegt, als die zweite Merkel-Regierung 2009 ins Amt kam. Rot-Grün hatte 2000 den Ausstieg beschlossen und mit dem stufenweisen Ende der Kernkraft – dem „Atomkonsens“ – sogar einen Weg gefunden, mit dem Umweltschützer und Industrie gleichermaßen leben konnten. Das Problem war gelöst. Längst antwortete eine breite Mehrheit der Deutschen mit „Nein, danke“, wenn es um die Frage der Atomkraft ging.

Dann kam das Kabinett Merkel II. Die FDP, damals wie heute der Schreihals unter den Kleinparteien, wollte unbedingt zurück zur „Zukunftstechnologie“ Atomenergie. Die Einflüsterer der Liberalen, die Lobbyisten von Vattenfall bis RWE, sowieso. In der Union waren die Atommeiler für viele dagegen ein Teil der konservativen Ideologie: Ihr „Ja“ zur Kernkraft war eine Glaubensfrage, so wie heute ihr „Nein“ zur sogenannten Homo-Ehe. So kam es 2011 zum Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernkraft. Die Laufzeiten der Meiler wurden um Jahre verlängert, der von Rot-Grün aufwendig ausgehandelte Atomkompromiss war Geschichte. An dessen Stelle schloss Angela Merkel eine neue Vereinbarung mit der Atom-Lobby, in deren Zuge die Brennelementesteuer eingeführt wurde. Mit der Abgabe auf die radioaktiven Brennstäbe sollte nicht ganz so offensichtlich zu erkennen sein, wie stark Union und FDP nach der Pfeife der Atom-Lobby tanzten – und wie rückwärtsgewandt ihre Energiepolitik in Wirklichkeit war.

Sechs-Milliarden-Rechnung für den Steuerzahler

Zwischenzeitlich hatte die Atomindustrie allerdings die Lust verloren, sich an die Abmachung mit Merkel zu halten, und klagte gegen die Steuer auf ihre hochgiftigen Brennstäbe. Nun bekommen E.ON, RWE und Co das Geld zurück.

Begleichen müssen die Milliardenrechnung die Steuerzahler. Rund drei Monate vor der Bundestagswahl werden sie damit noch einmal daran erinnert, was dabei herauskommt, wenn Union und FDP eine gemeinsame Bundesregierung stellen.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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