Bremer SPD stimmt für Rot-Grün-Rot und Bovenschulte
Mohssen Assanimoghaddam/dpa
Der Weg ist frei: SPD, Grüne und Linke in Bremen haben für die ersten rot-grün-rote Landesregierung in einem der westdeutschen Bundesländer gestimmt. Die Sozialdemokraten stimmten auf ihrem Landesparteitag am Samstag ohne Gegenstimme für den Entwurf des Koalitionsvertrags. Ohne Gegenstimme ging das Papier auch bei den Grünen durch. Bereits am Donnerstag hatten die Linken mit Ja gestimmt. Als neuen Bürgermeister-Kandidaten und Nachfolger für Carsten Sieling wählten die Sozialdemokraten mit 95,9 Prozent den erst wenige Tage im Amt befindlichen Fraktionschef in der Bürgerschaft, Andreas Bovenschulte.
Am Ende gab es stehenden Applaus. Keine Wunder, sprach doch das Ergebnis Bände. Andreas Bovenschulte soll neuer Bürgermeister der Hansestadt Bremen werden. Er ist in den Augen der SPD-Parteitagsdelegierten und des Landesvorstandes der Mann, der die Partei wieder auf Kurs bringen kann. Entsprechend deutlich fiel das Ergebnis der Wahl Bovenschultes aus: 140 der 146 Delegierten stimmt für ihn. Dies sind 95,9 Prozent. Ebenso deutlich war das Votum bei der Zustimmung für den rund 140 Seiten umfassenden Entwurf des Koalitionsvertrages. Von 145 anwesenden Delegierten stimmten 141 mit „Ja!“. Es gab nur vier Enthaltungen und keine Gegenstimme.
Weil die Delegierten den Zwei-Meter-Mann Bovemschulte zum Bürgermeisterkandidaten gewählt haben, müssen die Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion nach der Sommerpause noch einmal ran. Bovenschulte war erst vor wenigen Tagen zu ihrem Vorsitzenden gewählt worden. Dass er, der von 2010 bis 2013 schon einmal Landesvorsitzender der Bremer SPD und danach fünf Jahre Bürgermeister der Gemeinde südlich von Bremen war, irgendwann den Bürgermeister-Posten übernehmen würde, haben Beobachter schon im vergangenen Jahr vermutet. Dann ging es doch schneller: Am 1. Juli hatte der bisherige Amtsinhaber Carsten Sieling erklärt, nicht wieder für das Amt zur Verfügung zu stehen. Er wurde beim Landesparteitag mit Applaus verabschiedet.
Bovenschulte verteidigt Koalitionsvertrag gegen Kritik
Bovenschulte oblag es dann, die Genossen auf den Kurs der rot-grün-roten Landesregierung einzuschwören. „Dieser Koalitionsvertrag ist eine Riesenchance für die SPD. Aber die müssen wir auch nutzen, denn eine weitere werden wir nicht mehr kriegen“, sagte Bovenschulte in einer mitreißenden Rede. Alles gemeinsam, Partei und Senat, müssten „verdammt hart arbeiten müssen, um das verlorengegangene Vertrauen zurück zu gewinnen“.
Der Bürgermeister-Kandidat trat der insbesondere aus Richtung der Handelskammer Bremen geäußerten Kritik entgegen, der Entwurf des Koalitionsvertrages schade dem Wirtschaftsstandort Bremen. Die Vereinbarung enthalte ein klares Bekenntnis dazu, meinte Bovenschulte. Eine positive Wirtschaftsentwicklung sei Voraussetzung für die Senkung der Arbeitslosigkeit, für gute Arbeit und für auskömmliche Löhne. Bovenschulte betonte: „Wir müssen die Rahmenbedingungen setzen, und dazu gehört eine gute wirtschaftliche Entwicklung.“
Ebenso bekannte er sich den inhaltlichen Schwerpunkten wie Bildung und Klimaschutz. „Wir wollen absoluten Vorrang für Investitionen in Schulen und Kindertagesstätten. Und das nicht nur in Beton, sondern auch in die Köpfe.“ Bovenschulte machte indes auch deutlich, dass es beim Klimaschutz einiges zu tun gebe: „Wenn wir die Menschen nicht mitnehmen, wenn wir ihnen nicht klarmachen, dass das alltägliche Leben vereinbar ist mit dem Klimaschutz, werden wir uns gesellschaftlich mit den Maßnahmen nicht durchsetzen.“
Nicht ganz so deutlich wie Bovenschulte nominierten die Delegierten ihre Kandidaten für die Senatorenposten. Mit 94,36 Prozent bekam Ulrich Mäurer das beste Ergebnis. Er soll weiterhin Innensenator sein. Auf 91,49 Prozent Zustimmung kam Claudia Bogedan, die weiterhin das Ressort für Kinder und Bildung führen soll. Neu in der Senatsriege sind Claudia Schilling aus Bremerhaven und Olaf Joachim. Schilling ist für ein neues Doppelressort Wissenschaft und Häfen sowie Justiz und Verfassung vorgesehen. Joachim soll als Staatsrat Bevollmächtigter Bremens beim Bund werden.
Neues Bündnis als Neuanfang
Wie Bovenschulte, setzte auch die SPD-Landesvorsitzende Sascha Karolin Aulepp auf ein partnerschaftliches Miteinander von Rot-Grün-Rot: „Das ist mehr als die Summe der drei Partner.“ Sie sah ebenso wie viele andere Redner an diesem Samstag das neue Bündnis als Neuanfang. Aulepp sagte: „Wenn wir gut zusammen regieren und viel für die Menschen in Bremen und Bremerhaven umsetzen, werden wir gute SPD-Politik machen.“
Als schmerzlich empfanden es die meisten Redner, dass die SPD die Ressorts Wirtschaft und Arbeit sowie Gesundheit abgeben muss. Sie gehen an die Linke, die dafür bei ihrer Mitglieder-Versammlung die bisherige Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion Kristina Vogt und Claudia Bernhard. Vogt soll Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa werden. Bernhard ist Kandidatin für das Ressort Gesundheit und Verbraucherschutz. Dafür sprachen sich die Linken in einer Mitgliederversammlung am 4. Juli ohne Gegenstimme aus. Für den Koalitionsvertrag votierten hingegen nur 71 Prozent. Das letzte Wort bei den Linken haben die Mitglieder.
Fast zeitgleich mit der SPD trafen sich die Grünen zu ihrer Mitgliederversammlung. Sie gaben dem Koalitionsvertrag ebenso einstimmig wie die Sozialdemokraten ihren Segen. Auch sie sollen im Senat mit zwei neuen Gesichtern vertreten sein. Die bisherige Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion, Maike Schaefer, dürfte Senatorin für Umwelt, Bau, Verkehr und Stadtentwicklung sowie als Bürgermeisterin zweite Frau im Senat hinter Bovenschulte werden. Für Finanzen ist der bisherige Staatsrat Dietmar Strehl vorgesehen. Anja Stahmann soll wie bislang Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport sein.