Inland

„Brauner Osten“?! Was gegen Rechtsextremismus hilft

Nicht nur in Sachsen finden Rechtsextreme besonders leicht Anschluss an die „Mitte der Gesellschaft“. Fremdenfeindlichkeit ist im „Osten“ insgesamt weiter verbreitet als im „Westen“. Warum das so ist und was dagegen hilft, erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Schmidt.
von Robert Kiesel · 18. Mai 2017

Herr Schmidt, eine am Donnerstag vorgestellte Studie zu Rechtsextremismus in Ostdeutschland nennt als eine der Ursachen die Abgeschlossenheit der DDR-Gesellschaft. Stimmt das?

Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind natürlich ein gesamtdeutsches Phänomen, aber mit deutlich höheren Zahlen in Ostdeutschland. Die ehemalige DDR war tatsächlich eine eher abgeschlossene Gesellschaft und das ist mit ein Grund für diese Tendenzen. Deshalb zu sagen, der Osten ist rechtsextrem, wäre dennoch grundfalsch. Auch Ostdeutschland ist schließlich kein homogenes Gebilde.

Ihr Wahlkreis Treptow-Köpenick liegt im Ostteil Berlins und gehörte zur ehemaligen DDR. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen dort?

In meinem Wahlkreis sitzt die NPD-Bundeszentrale, zu meiner Zeit als Bezirksverordneter war die NPD dort stets in Fraktionsstärke vertreten. Ja, es gibt rechtsextreme Einstellungen in Treptow-Köpenick. Dennoch hat sich zu allen Aktionen gegen die NPD die Zivilgesellschaft zusammengeschlossen. Das müssen wir als Politik verstärken und unterstützen.

Stichwort Abschottung: Auch in Treptow-Köpenick hat die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften für Protest gesorgt – heute ist die Situation ruhig. Ein Beispiel für Akzeptanz durch Kontakt?

Unbedingt! An vielen Stellen läuft immer das gleiche Muster ab, wenn bekannt wird, dass eine Flüchtlingsunterkunft errichtet wird. Zunächst sind Aufregung und Ängste groß. Diese muss die Politik aufnehmen und durch Information bekämpfen. Den Sprung zum Guten schafft die Begegnung. Immer wenn die Anwohner ihre neuen Nachbarn tatsächlich kennenlernen, merken sie, dass Ausländer keine anonyme Masse sind,  sondern eine Gruppe individueller Schicksale. Dann wächst Verständnis, nehmen Vorurteile ab, beruhigt sich die Situation.

Während in Treptow-Köpenick Protest gegen Rechtsextreme vergleichsweise einfach zu mobilisieren ist, ist die Situation in ländlichen Regionen anders. Wie kann Zivilgesellschaft gerade dort gestärkt werden?

Es ist offensichtlich, dass die Ausgangssituation auf dem Dorf eine andere ist als in der Stadt. Nur gibt es aus meiner Sicht keine Alternative. Wir wollen für unsere Demokratie eintreten und müssen versuchen, die anderen mit an die Hand zu nehmen, um gemeinsam gegen Rechtsextremismus einzustehen.

Vermehrte Übergriffen zeigen, dass zivilgesellschaftliches Engagement schnell die eigene Gesundheit gefährden kann. Was kann Politik leisten, um das angstfreie Eintreten für Demokratie zu ermöglichen?

Das ist das Problem, wenn sich leider nur Einzelne engagieren. Die Gefahr von Attacken sinkt immer dann, wenn viele aktiv werden. Das ist mein Appell an die Demokraten: zusammenzustehen und inhaltliche Differenzen, die es an anderer Stelle gibt, zu überwinden. Das hat bei uns in Treptow-Köpenick gut geklappt.

Aktuell ziehen sich demokratische Akteure im ländlichen Raum eher zurück. Ein fatales Signal?

Ich weiß auch, dass es in manchen Regionen wirklich schwer ist, parteipolitische Arbeit zu organisieren. Aber ich will mich da auf keinen Fall entmutigen lassen. Gerade dort müssen Veranstaltungen gemacht werden, müssen die Leute ihre Fragen stellen können und wir ehrliche Antworten darauf finden. Dialog ist in der Politik das Wesensmerkmal. Das dürfen wir auf keinen Fall einstellen, auch wenn die Situation schwieriger werden sollte.

Laut den Autoren der Studie wählt die junge Generation seltener Rechtspopulisten und engagiert sich häufiger zivilgesellschaftlich. Teilen Sie die Hoffnung auf den Generationenwechsel?

Meine Hoffnung in die Jugend ist groß, ich warne aber vor der Erwartung, dass das ein Selbstläufer ist. Wenn Regionen das Gefühl haben, sie sind abgehängt, dann werden junge Leute nicht einfach nachwachsen und das anders sehen. Wir müssen in die Jugend investieren. Mit Demokratieerziehung schon ab der Grundschule, mit internationalem Austausch von Klassen und mit einem Auftrag an die Zivilgesellschaft, sich weiter zu engagieren. 

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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