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Böhmermanns Erdogan-Satire: Welche Aussichten eine Klage hat

Der türkische Präsident Erdogan hat gegen den Satiriker Jan Böhmermann einen Strafantrag gestellt. Dessen „Schmähgedicht“ wirft die grundsätzliche Frage auf, was Satire darf und was nicht.
von Christian Rath · 11. April 2016
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Die „Beleidigung von Vertretern und Organen ausländischer Staaten“ wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Das Verbot ist zwar im Strafgesetzbuch geregelt (§103), strafrechtliche Verurteilungen wurden aber schon lange nicht mehr bekannt.

Anders als im Fall des Schmähgedichts von Jan Böhmermann oder der „extra3“-Satire unter dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ ging es in der Vergangenheit eher um Plakate auf Demonstrationen. So durfe 1975 das Transparent „Mörderbande“ vor der chilenischen Botschaft beschlagnahmt werden. Das entschied 1981 das Bundesverwaltungsgericht. Dagegen hätte 2006 auf dem Münchener CSD ein geschminkter Papst gezeigt werden dürfen, so der Verwaltungsgerichtshof München, weil es hier um eine satirische Auseinandersetzung mit der kirchlichen Haltung zur Homosexualität ging.

Causa Böhmermann: Strafrecht schützt Ehre ausländischer Präsidenten

Die Strafvorschrift schützt nicht nur die Ehre der ausländischen Staatspräsidenten und Botschafter, sondern auch die Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten. Es handelt sich um eine Sonderform der Beleidigung, die schwerer bestraft wird. Bei einer normalen Beleidigung droht nur Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Eine Anklage ist laut Paragraf 104a nur möglich, wenn ein „Strafverlangen“ der ausländischen Regierung sowie eine „Ermächtigung“ der Bundesregierung vorliegen. Beides sind rein politische Entscheidungen. Sie machen den Weg zur Strafverfolgung frei, binden aber nicht die Justiz.

Erdogan stellt Strafantrag gegen Böhmermann

Falls die Bundesregierung im Fall Böhmermann keine Ermächtigung erteilt, ist zwar eine Strafverfolgung wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ausgeschlossen. Tayyip Erdogan bleibt aber die Möglichkeit, als Privatperson einen Strafantrag wegen Beleidigung stellen. Davon machte er Medienberichten zufolge am Dienstag Gebrauch. Bei beiden Delikten geht es im Kern um eine Beleidigung. Darunter versteht die Rechtsprechung eine „Verletzung der Ehre durch Kundgabe der Missachtung“.

Die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ gilt laut Paragraf 193 als Rechtfertigungsgrund. Deshalb ist es nie strafbar, wenn sachliche Kritik geäußert wird - selbst wenn dadurch der gute Ruf des Kritisierten leidet. Die Meinungs- und Pressefreiheit wird so auch im Strafrecht berücksichtigt. Strafbar bleibt jedoch eine Schmähkritik, bei der die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

„Schmähgedicht“ Böhmermanns als Beispiel für verbotenes Verhalten

Satire darf zwar überzeichnen. Doch auch hier sind Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde des Betroffenen zu beachten. Franz-Josef Strauß durfte deshalb nicht als kopulierendes Schwein gezeichnet werden, so das Bundesverfassungsgericht 1987.

Es dürfte Böhmermann auch nichts nutzen, dass er sein „Schmähgedicht“ ausdrücklich als Beispiel für verbotenes Verhalten eingeführt hat. Dafür hätte eine Zeile genügt, etwa „pervers, zerlaust und zoophil“, Böhmermann aber präsentierte sechs ganze Strophen in diesem Stil.

Wenn Kunstsachverständige nun mutmaßen, das drohende Strafverfahren gehöre zu Böhmermanns Inszenierung dazu, haben sie wohl Recht. Dann ergibt sich aus der Kunstfreiheit aber erst recht kein Hindernis für eine Anklage. Böhmermanns Motive könnten am Ende bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Mehr als eine Geldstrafe muss er ohnehin nicht befürchten.

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