Der NSA-Skandal weitet sich aus. Erst kam heraus, dass der amerikanische Geheimdienst Nutzer einer Anonymisierungs-Software ins Visier nimmt. Nun soll auch noch ein BND-Mitarbeiter für die USA spioniert haben.
Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), der geheime Daten an einen amerikanischen Kontaktmann verkauft haben soll. Das berichtet Spiegel Online am Freitag. Der 31-Jährige wurde bereits am Mittwoch festgenommen und soll voll geständig sein. Besonders brisant: Offenbar suchte der BND-Mitarbeiter gezielt nach Informationen über den NSA-Untersuchungsausschuss. Ob der Kontaktmann, an den er seine Daten verkauft hat, tatsächlich für einen amerikanischen Geheimdienst arbeitet, ist bisher noch unklar.
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann sprach jedenfalls von einem schwerwiegenden Vorwurf. "Das wäre ein unerhörter Angriff auf die Freiheit des Parlaments und unsere demokratischen Institutionen insgesamt", sagte er am Freitagnachmittag. Er erwarte eine schnelle Aufklärung. Dabei hätten die USA jetzt eine Bringschuld.
Für das Ansehen des BND ist es bereits der zweite schwere Schlag innerhalb von zwei Tagen. Gestern haben im NSA-Untersuchungsausschuss zwei sogenannte „Whistleblower“ ausgesagt. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Thomas Drake warf dem deutschen Geheimdienst vor, potentiell gegen das Grundgesetz zu verstoßen, indem er Daten der NSA mitbenutzt. Beide Geheimdienste würden eng zusammenarbeiten. Wörtlich bezeichnete Drake den BND als „Wurmfortsatz der NSA“. William Binney, ebenfalls ein ehemaliger NSA-Mitarbeiter, attestierte dem amerikanischen Geheimdienst einen „totalitären Ansatz, den man bisher nur bei Diktatoren gesehen hat“.
Wer sich vor Spionage schützen will, wird verdächtigt
Recherchen von NDR und WDR haben ergeben, dass der amerikanische Geheimdienst NSA gezielt Internetnutzer ins Visier nimmt, die sich mit der Software „Tor“ vor Überwachung schützen wollen. Zu den Opfern der Späh-Angriffe gehört der Erlanger Student Sebastian Hahn, der einen Server von Tor betreibt.
Das Servernetzwerk Tor ermöglicht, dass sich Nutzer im Internet – beim Surfen, Chatten oder bei der Dateiübertragung – anonym bewegen können. Dazu verschleiert der Dienst die Nutzerspur im Internet, indem die Daten über mehrere Server umgeleitet werden. Dadurch kann nicht mehr zurückverfolgt werden, von welchem Computer eine Internetseite aufgerufen wurde. Momentan besteht das Tor-Netzwerk aus rund 5600 Servern. Die meisten von ihnen werden von Freiwilligen wie Sebastian Hahn betrieben, aber auch von Organisationen wie dem Chaos Computer Club oder Reporter ohne Grenzen. 2012 finanzierte sich das Projekt neben privaten Spenden zu 60 Prozent aus Mitteln der US-Regierung.
Wer nutzt Tor?
Nach Angaben des Tor-Projekts benutzen weltweit rund 2,5 Millionen Menschen den Anonymisierungsdienst, allein 200.000 in Deutschland. Ihre Gründe sind unterschiedlich. Offenbar werden sie von dem US-Geheimdienst pauschal als potentielle Extremisten eingestuft. Die NSA versucht, Tor-Nutzer zu identifizieren und stellt sie den Recherchen zufolge unter besondere Beobachtung.
Private Anwender können verhindern, dass Internetanbieter oder Suchmaschinen Aufzeichnungen zu ihren Nutzerverhalten anlegen und weiterverkaufen. Für Journalisten, Blogger und Dissidenten bietet Tor die Möglichkeit ihre Privatsphäre und Sicherheit zu gewährleisten, wenn sie sich im Internet informieren, austauschen oder kritisch äußern. Auch Menschenrechtsaktivisten benutzen Tor, um anonym über Verbrechen aus Gefahrenzonen zu berichten.
In der Wirtschaft wird Tor unter anderem verwendet, um Strategien vertraulich zu halten. So können Analysten von Investmentbanken vermeiden, dass jemand erkennt, welche Webseiten sie besuchen. Sogar Strafverfolgungsbehörden können von Tor profitieren. Sie können im Internet ermitteln, ohne von den Betreibern illegaler Internetseiten erkannt zu werden. Tor soll auch potentielle Informanten dazu animieren anonyme Hinweise zu geben.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.