Inland

Bleiberecht: Wie Deutschland ein besseres Einwanderungsland wird

Ein Paradigmenwechsel in der deutschen Migrationspolitik: Geduldete Menschen sollen bessere Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Aber auch Abschiebungen sollen leichter möglich sein, wenn es nach der Bundesregierung geht.
von Jonas Jordan · 6. Juli 2022
Geduldete Menschen sollen in Deutschland künftig nach fünf Jahren ein Chancenaufenthaltsrecht erhalten.
Geduldete Menschen sollen in Deutschland künftig nach fünf Jahren ein Chancenaufenthaltsrecht erhalten.

„Wir sind ein vielfältiges Einwanderungsland. Jetzt wollen wir ein besseres Einwanderungsland werden“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer Pressekonferenz am Mittwochmittag in Berlin, als sie das offiziell vorstellt, was das Bundeskabinett zuvor am Vormittag beschlossen hat. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht will die Bundesregierung ein modernes Einwanderungsrecht schaffen. Es ist ein Dreiklang, wie Faeser sagt, der Anreize für gut integrierte und bisher geduldete Menschen setzt, aber auch Sanktionen in Form von Abschiebungen in Aussicht stellt.

Punkt 1: Chancenaufenthaltsrecht

Am 31. Dezember 2021 haben sich in der Bundesrepublik Deutschland 242.029 geduldete Ausländer*innen aufgehalten, davon 136.605 seit mehr als fünf Jahren. Für diese Personengruppe soll die sogenannte Kettenduldung mit Stichtag 1. Januar 2022 zunächst für ein Jahr außer Kraft gesetzt werden. Langjährig Geduldete erhalten durch eine einjährige Aufenthaltserlaubnis die Möglichkeit, die notwendigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. Dazu gehört die Sicherung des Lebensunterhalts und die Klärung der Identität. 

Möglich ist das jedoch nur für diejenigen Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennen. Wer mehrfach falsche Angaben gemacht oder über seine Identität getäuscht hat, um seine Abschiebung zu verhindern, soll von dieser neuen Möglichkeit nicht profitieren können. „Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht schaffen wir einen Perspektivwechsel. Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in unserem Land haben“, begründet Faeser den entsprechenden Beschluss des Bundeskabinetts. Eine besondere Regelung gilt für gut integrierte, junge Menschen unter 27 Jahren. Diese sollen schon nach drei Jahren ein Bleiberecht bekommen können.

Punkt 2: Fachkräfteeinwanderung

Parallel zum Chancenaufenthaltsrecht soll Deutschland auch für dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver werden. Dazu sollen zum einen bestehende Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsegsetz entfristet werden, zum anderen sollen bislang noch bestehende Hürden zum Familiennachzug wegfallen. Dieser soll nicht mehr an den Nachweis bestimmter Sprachkenntnisse geknüpft sein. Zudem soll künftig grundsätzlich der Zugang zu Sprach- und Integrationskursen sofort möglich und nicht mehr beispielsweise an eine Bleibeperspektive geknüpft sein. „Unsere Sprache und unsere Werte zu vermitteln ist immer wichtig“, sagt Faeser.

Punkt 3: Rückführungsoffensive

Die Rückführung beziehungsweise Abschiebung soll nach dem Willen der Bundesregierung konsequenter als bislang durchgesetzt werden. Das gilt vor allem für Gefährder*innen und Straftäter*innen. Zu diesem Zweck soll auch die maximale Dauer der Abschiebehaft verlängert werden. „Wir wollen irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen“, sagt Faeser.

Wie geht es weiter?

Die am Mittwoch vorgestellten Vorhaben sind für die Innenministerin nur „ein erster wichtiger Schritt hin zu einem Einwanderungs- und Migrationsland“. Zwei weitere Pakete zum Migrations- und Einwanderungsrecht sollen folgen, darunter unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause eines, das Fachkräftezuwanderung und Arbeitskräftezuwanderung besser regeln soll. „Hubertus Heil und ich machen uns jetzt auf den Weg, das zu erleichtern und auch Berufsabschlüsse aus dem Ausland besser anzuerkennen“, sagt Faeser.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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