Inland

Blaue Schraubenzieher und rosa Schleifchen

von Vera Rosigkeit · 28. Februar 2013

Schraubenzieher für Jungen, Schleifchen für Mädchen? Deutschland hinkt bei der Gleichstellung anderen europäischen Ländern hinterher. Grund genug, über Konzepte einer modernen Gleichstellungspolitik zu diskutieren. Das tat die SPD-Fraktion am Mittwoch bei ihrem Empfang zum Internationalen Frauentag.

In diesem Jahr hatte die SPD-Bundestagsfraktion die inhaltliche Gestaltung für ihre Veranstaltung zum Internationalen Frauentag 2013 in die Hände der Gäste gelegt. Die konnten sich schon vor dem 27. Februar auf dem Debattenportal Zukunftsdialog online zu der Frage äußern: „Was erwarten Frauen von der SPD-Bundestagsfraktion?“ Die Rückmeldungen waren zahlreich, erklärt am Mittwochabend im Berliner Reichstagsgebäude die Moderatorin Tanja Samrotzki, die daraufhin durch drei Tischgespräche führt.

Sexismus als Folge ungleicher Verteilung von Macht und Vermögen

Altes Thema, neue Probleme: Die Kassen der Kommunen sind klamm. Das bekommen auch die Frauenhäuser zu spüren, ihre Existenz ist bedroht. Will die SPD Frauenhäuser bedarfsgerecht finanzieren?, lautet eine Frage. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen will das unbedingt, antwortet deren Vorsitzende Elke Ferner. Die Fraktionsvizin würde zur Finanzierung gerne die Grenzen des Föderalismus überwinden und fordert einen von der jeweiligen Landesregierung unabhängigen „verbindlichen Topf“.

Zum Thema Aufbruch wider den Sexismus erklärt die frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Caren Marks, dass Sexismus nur dann bekämpft werden könne, wenn eine breite gesellschaftliche Debatte geführt werde. Es müsse klar sein, dass Sexismus kein Kavaliersdelikt sei, sondern eine Verletzung von Menschenrechten, sagt sie. Sexismus habe aber auch mit Strukturen zu tun, mit Einkommen, Macht und Vermögen, und die „sind in unserer Gesellschaft ungleich verteilt“.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Das ist das Stichwort für Christel Humme, Sprecherin der Arbeitsgruppe Gleichstellungspolitik, beim zweiten Tischgespräch. Je höher man als Frau in der beruflichen Hierarchie steige, desto größer werde die Lohnlücke, sagt sie und verweist auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Deutschland zählt in Europa mit einem relativ großen durchschnittlichen Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern zu den Schlusslichtern. Verdienen Frauen EU-weit um die 18 Prozent weniger als Männer, sind es in Deutschland 23 Prozent. „Wir können doch nicht jedes Jahr am 23. März zum Equal Pay Day mit einer roten Tasche auf die Straße gehen“, so Humme. Deshalb hat die SPD-Fraktion im vergangenen Mai den Entwurf eines "Gesetzes zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebots für Frauen und Männer" eingebracht.

Doch das alleine reicht nicht. Es sind die schlechter bezahlten Jobs, in denen Frauen sich wiederfinden, die Pflege- und Erzieherberufe. Würden mehr Männer in der Pflege arbeiten, gebe es auch eine bessere Bezahlung, ist Willi Brase, Mitglied der Arbeitsgruppe Gleichstellung, überzeugt. Er fordert einen höheren Lohn für Pflegeberufe, zur Not auch finanziert durch ein Anheben der Sozialbeiträge.

Damit nicht genug: Warum sind diese Tätigkeiten von Frauen häufig schlechter bezahlt? Noch immer spiegelt der Berufbildungsbericht die klassischen Rollenbilder wider. 80 Prozent der Jungen möchten Mechatroniker werden, bei Mädchen stehen nach wie vor das Friseurhandwerk und die  Erzieherberufe hoch im Kurs.

Schleifen für Mädchen, Schraubenzieher für Jungen

Kein Wunder, sagt Caren Marks, die beim dritten Tischgespräch mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf das Podium zurückkehrt. Erst kürzlich sei sie bei einem Schulbesuch mit Entsetzen auf zwei Schulbücher aufmerksam geworden, die für Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen Illustrationen bebildert waren. Während Mädchen mit rosa Schleifen und Schmetterlingen rechnen lernten, waren für Jungen Autos und Schraubenzieher vorgesehen. Ihr Fazit: „Auch in der Didaktik müssen Geschlechterstereotype abgebaut werden.“ Und was sagt der Kanzlerkandidat dazu? Er würde die Schraubenzieher in das Buch der Mädchen übertragen, antwortet Peer Steinbrück.

Er begrüße die offen geführte Sexismusdebatte, schließt Steinbrück an, nur so ließen sich gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen. Ein Mentalitätswechsel sei nicht nur über Gesetze erreichbar, man müsse öffentlich streiten.

Gleichwohl gebe es Steuerungsmöglichkeiten, um die  Gleichstellungspolitik voranzutreiben: „Unsere Steuerpolitik ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt er. Frauen würden benachteiligt. Das betreffe die allein erziehende Frau, die mit Steuerklasse 2 eindeutig Nachteile in Kauf nehmen müsse, es beteffe aber auch das Ehegattensplitting, das für Ehefrauen keinen Anreiz biete, Arbeit aufzunehmen. Aber auch ein flächendeckender Mindestlohn käme Frauen ebenso zu Gute wie die Begrenzung von Minijobs, so Steinbrück.

Dass es ihm Ernst ist mit der Gleichstellungsfrage, will Steinbrück mit der Einführung einer Gleichstellungsbeauftragten im Kanzleramt versichern. Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe in alle Ministerien hineintragen, so die Vorstellung. Und er verspricht, das Kompetenzteam, das nach dem SPD-Bundesparteitag im April gebildet wird, paritätisch zu besetzen.

Ob er seine Wahlversprechen hält, wird nun gefragt. Steinbrück fragt zurück: Wo fühlen Sie sich bei diesem Thema besser aufgehoben? Die Bundestagswahl werde auf gesellschaftspolitischen Feldern gewonnen, ist der Kanzlerkandidat sicher, Themen wie Bildung, Arbeit oder bezahlbares Wohnen seien dabei von zentraler Bedeutung, vor allem aber das Thema Gleichstellung.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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