Inland

Bezahlbares Wohnen: „Es geht nicht ohne steigende Fördermittel“

Bei der SPD das „Mietmoratorium“, beim Mieterbund der „Mietenstopp“, der den Wohnungsmarkt entspannen soll. Eine nötige Atempause, sagt Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten im Gespräch. Auch die Enteignung großer Konzerne schließt er nicht aus.
von Benedikt Dittrich · 13. Juli 2021
Umbau und Neubau, günstig und klimafreundlich: Für die Bauwirtschaft ein schwieriger Spagat.
Umbau und Neubau, günstig und klimafreundlich: Für die Bauwirtschaft ein schwieriger Spagat.

Herr Siebenkotten, Hamburg ist eines der wenigen positiven Beispiele, wo der Bestand an Sozialwohnungen nicht sinkt, sondern wieder steigt. Was macht die Stadt richtig, in der Olaf Scholz Erster Bürgermeister war?

Olaf Scholz hat damals versprochen sich um den Wohnungsbau zu kümmern und das hat er getan. Er hat damals mit den Bezirken Ziele vereinbart, die diese teilweise sogar übererfüllt haben. Daran können sich andere sicherlich ein Beispiel nehmen.

Im Übrigen sind wir meines Wissens das einzige Land in Europa, in dem Sozialwohnungen nach 20 oder 30 Jahren aus der Zweckbindung fallen. Deswegen sinkt der Bestand ja überhaupt. Um diesen Trend umzukehren, bräuchten wir bundesweit 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr. Und das geht nicht ohne steigende Fördermittel.

Nicht nur die Mieten, sondern auch die Baukosten steigen seit Jahren. Wird der Wunsch nach günstigem Wohnraum in Deutschland zu einer Utopie?

Ich glaube nicht, dass wir es auf absehbare Zeit schaffen werden, Bauen deutlich günstiger zu machen. Man kann zwar durch serielles Bauen die Kosten etwas verringern, aber die Materialien werden trotzdem immer teurer und erst recht das Bauland.

Aber wir glauben, dass man mehr Wohnungen errichten kann, als das zur Zeit der Fall ist. Im Moment werden pro Jahr ungefähr 300.000 Wohnungen gebaut. Es waren mal nur 250.000, in den frühen neunziger Jahren waren es aber auch mal 600.000. Das ist doppelt so viel wie jetzt.

Da ist aber alles drin, von der Sozialwohnung bis zur Villa. Wenn wir im Bereich des bezahlbaren Wohnens vorankommen wollen, wo Menschen nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete  aufbringen müssen, dann wird es nicht ohne erhebliche staatliche Unterstützung klappen. Dessen sind wir uns bewusst, die Wohnungswirtschaft aber auch.

Im Moment wird eine Milliarde Euro im Jahr vom Bund in die Wohnungsbauförderung gesteckt. Wir gehen davon aus, dass mindestens sechs oder sieben Milliarden vonnöten sind.

Es braucht also eine Trendumkehr.

Wir sollten auch ein Instrument wieder einführen, das 1990 abgeschafft wurde: Die Wohnungsgemeinnützigkeit. Also: Kommunale, kirchliche und auch private Unternehmen, die zu diesem Zweck gemeinnützig werden, betreiben Wohnungsbau und übernehmen bezahlbare Wohnungen in ihren Bestand. Das hat es bis 1990 gegeben, wurde aber von der damaligen CDU/FDP-Regierung nach dem „Neue-Heimat-Skandal“ gänzlich abgeschafft.

In diesem System könnten Sozialwohnungen errichtet werden, die keiner zeitlichen Bindung unterliegen, also für die Zeit ihrer Existenz geförderte Sozialwohnungen mit günstigen Mieten bleiben.

Wäre die Enteignung privater Wohnungsunternehmen auch eine Möglichkeit, wie es die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ vorantreibt?

Auf jeden Fall ist es kein kommunistischer Firlefanz oder ähnliches, was diese Initiative betreibt. Es steht im Grundgesetz, dass Vergesellschaftungen möglich sind und unser Berliner Mieterverein unterstützt diese Initiative nach Kräften.

Für uns ist es wichtig, dass Wohnungen gebaut werden. Das passiert bei einer Vergesellschaftung erstmal nicht. Man übernimmt Wohnungen, die schon da sind. Allerdings landen die vergesellschafteten Wohnungen in kommunaler bzw. öffentlicher Hand, was wir sehr begrüßen, denn dann können die Mieten niedrig gehalten werden. Wir sind ohnehin der festen Überzeugung, dass der Bestand an Wohnungen in öffentlicher Hand deutlich gesteigert werden sollte.

Das kann also sehr vernünftig sein. Übrig bleibt die Frage, was dafür bezahlt werden muss und wer es bezahlt. Denn es steht eben auch im Grundgesetz, dass derjenige, dessen Eigentum vergesellschaftet wird, zu entschädigen ist. In welcher Höhe, wird vermutlich auf dem Rechtsweg geklärt werden, wahrscheinlich im Endergebnis durch das Bundesverfassungsgericht.

Der Mieterbund fordert einen Mietenstopp, die SPD ein Mietmoratorium – und dann gab es in Berlin kurzzeitig einen Mietendeckel. Wo liegen die Unterschiede?

Der Mietendeckel war ein Versuch, auf Länderebene eine öffentlich-rechtliche Mietbegrenzung zu etablieren, und zwar für einen bestimmten Zeitraum, wie bei unserer Forderung eines Mietenstopps. Soweit wir das sehen, hatte der Deckel eine positive Wirkung, der Mietenanstieg ist in der Zeit seiner Gültigkeit erkennbar zurückgegangen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Deckel übrigens nicht inhaltlich beurteilt, sondern nur gesagt, dass für solche Maßnahmen allein der Bund zuständig sei.

Der Mietenstopp, den wir als Sofortmaßnahme fordern, bedeutet: Alle Mieten bleiben genau da, wo sie jetzt gerade sind. Befristet über einen Zeitraum von sechs Jahren. Dann haben wir eine Atempause, in der wir mit viel Druck, einer Bundesregierung, die sich des Themas mit Nachdruck annimmt und einer ordentlichen Förderung beim Neubau viel erreichen können. Dann können wir vielleicht die Marktsituation entspannen und der Stopp kann nach sechs Jahren auslaufen.

Kann man eine Entspannung nicht ohne Atempause erreichen?

Wir glauben, dass ein Stopp notwendig ist. Selbst die Mietpreisbremse betrifft ja nur Neu- und Wiedervermietungen, aber nicht den laufenden Mietvertrag. Bestandsmieten können innerhalb von drei Jahren weiterhin bis zu 20 Prozent erhöht werden, selbst in angespannten Lagen sind noch 15 Prozent in drei Jahren möglich, also fünf pro Jahr. Das ist uns viel zu viel.

Wie weit ist das von den Forderungen der SPD nach einem Mietmoratorium entfernt?

Nicht sehr weit, auch das Moratorium ist ein zeitlich begrenzter Mietenstopp. Allerdings soll bei dem Vorschlag aus dem SPD-Wahlprogramm die Miete noch um die Inflationsrate erhöht werden können. Das ist der Unterschied.

So oder so: Ich bin überzeugt davon, dass das Thema Wohnen in diesem Wahlkampf eine größere Rolle spielen wird als früher. Und ich bin froh, wenn das so kommt.

Für jedes Haus, das gebaut wird, werden Flächen versiegelt, für jedes Haus in Deutschland werden Ressourcen verbraucht. Kann man da überhaupt auf klimaneutrales Bauen hoffen?

Es werden weiter Flächen versiegelt werden, sonst kann man außer bei der Aufstockung bestehender Gebäude gar keinen Neubau betreiben.  Es gibt aber auch diejenigen, die sich dagegen wehren, dass jede Grünfläche bebaut wird. Dafür habe ich großes Verständnis.

Man muss daher fragen, wie ökologisch wertvoll die Flächen sind, die bebaut werden sollen. Am Ende müssen wir beides schaffen, bauen und Klimaschutz betreiben. Wir können nicht das eine zugunsten des anderen komplett streichen. Das muss im Einzelfall austariert werden.

Kann man klimaneutral, günstige Sozialwohnungen bauen?

Wir sollten alles tun, um das so schnell wie möglich hinzubekommen.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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