Jan Stöß ist neuer Vorsitzender der Berliner SPD. Er setzte sich am Samstag auf einem Landesparteitag mit 123 zu 101 Stimmen gegen Amtsinhaber Michael Müller durch. Stöß möchte, dass sich die SPD in der Hauptstadt wieder stärker „auf ihre Kernkompetenz“ konzentriert: die soziale Gerechtigkeit.
In einem waren sich die Kontrahenten einig: Es würde ein entscheidender Tag für die Berliner SPD werden. Das betonten sowohl Michael Müller, seit acht Jahren Vorsitzender der Hauptstadt-SPD, als auch sein Herausforderer, der Kreisvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg, Jan Stöß in ihren Vorstellungsreden. Bei dieser Einschätzung jedoch hörte die Eintracht auf.
„Ich stehe hier, weil ich Erneuerung anbiete“, begründete Jan Stöß seine Kandidatur für den Landesvorsitz gleich im ersten Satz seiner Rede. Er sei „genervt, dass Entscheidungen als alternativlos dargestellt werden“ und die Parteibasis allzu oft ignoriert werde. „Was wir auf Parteitagen beschließen, müssen wir auch umsetzen“, forderte Stöß unter großem Beifall der 225 Delegierten im „Estrel“-Hotel. Als Landesvorsitzender wolle er „Diskussionen wieder ehrlicher führen und Entscheidungen ernst nehmen“.
Signal für die Bundespolitik
Als wichtige Themen nannte Stöß dabei u.a. die Zukunft der Berliner S-Bahn („Ich bin von einer Teilausschreibung nicht überzeugt.“), bezahlbare Mieten („Hier erwarten die Menschen mehr von uns.“), einen Mindestlohn von 8,50 Euro auch im zweiten Arbeitsmarkt sowie die doppelte Staatsbürgerschaft und ein Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer. Hierfür möchte der neue Landesvorsitzende auch das bundespolitische Gewicht der Berliner SPD stärker nutzen als bisher: „Die Bundespolitik findet zwar in Berlin statt, im Moment aber leider meistens ohne den Berliner Landesverband“, so Stöß‘ Kritik.
„Wir können unsere Ziele nur als Regierungspartei erreichen“, hatte dagegen zuvor Michael Müller gewarnt. Parteiinterne Querelen würden den Wähler verschrecken und schließlich die Regierungsbeteiligung kosten. So appellierte der Amtsinhaber an das Verantwortungsgefühl der Parteitagsdelegierten: „Ihr entscheidet, wie es weitergeht in der Berliner SPD.“ Unterstützung bekam Müller vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der in einem emotionalen Redebeitrag gar eine „Zerstörung der Berliner SPD“ vorhersagte, werde Jan Stöß gewählt.
Versöhnlicher zeigte sich dagegen der Vorsitzende der Abgeordnetenhausfraktion, Raed Saleh: „Am Ende dieses Tages gibt es keinen Sieger und keinen Verlierer, sondern ein Ergebnis, mit dem die SPD arbeiten muss.“ So sieht es auch Jan Stöß. Nach seiner Wahl rief er zu Geschlossenheit auf und kündigte an, alle Flügel der Partei integrieren zu wollen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.