vorwaerts.de: Welchen Stellenwert hat der Familienbericht in der politischen Diskussion?
Peter Ruhenstroth-Bauer: Themen wie die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, Betreuungsangebote für Kinder in Berlin sowie Bekämpfung und Prävention von Familienarmut wurden im
Familienbericht mit konkreten Vorschlägen unterlegt. Die Empfehlungen werden jetzt in der Stadt von ganz unterschiedlichen Gruppen diskutiert. "Familie" hat so einen erkennbar anderen Stellenwert
erhalten. Wichtig für die Debatte ist, dass sich auch die Berlinerinnen und Berliner weiter als Experten in eigener Sache beteiligen. Partizipation war schon bei der Erarbeitung des Berichtes
wichtig und wird jetzt mit ganztägigen Familienforen fortgesetzt.
Wenn Sie auf die vergangenen Jahre zurückblicken: Was hat sich in der Familienpolitik in Berlin getan und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Der Berliner Senat hat den Familienbeirat bewusst überparteilich, ehrenamtlich und vor allem heterogen zusammengesetzt. Die Mitglieder sind Vertreter aus Verbänden, Wirtschaft, Gewerkschaften, Handwerk, Wissenschaft und Glaubensgemeinschaften. Sie sind Garant dafür, dass die Empfehlungen sehr pragmatisch zustande gekommen sind. Das ist, neben der sehr intensiven Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner in Online-Dialogen und mit Familienforen, sicher der Schlüssel für den neuen Stellenwert von Familie in Berlin. Natürlich gibt es immer noch Handlungsbedarf, zum Beispiel bei den Stichworten Familienarmut oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In anderen Feldern hat sich aber eine Menge getan, was die Menschen im Übrigen auch honorieren. Auch deshalb ist im Familienbericht ein Kapitel nur den über 100 Beispielen "Aus guter Praxis" gewidmet.
Welche Einflussmöglichkeiten hat der Beirat auf Senat und Verwaltung?
Ein ehrenamtliches und überparteiliches Beratungsgremium soll in erster Linie beraten. Wir haben aber deutlich gespürt - und die neue Publikation "Die Debatte hat begonnen...!" zeigt es - wie ernst Senat, Verwaltung und Politik in Berlin diese Handlungsempfehlungen genommen haben. Die Notwendigkeit von einer Informationsplattform für Familien im Internet in allen Alters- und Lebenslagen wird von niemandem mehr bestritten. Der Senat hat die Umsetzung versprochen. Auch Familienzentren als direkte Anlaufstelle in der Stadt sind im neuen Berliner Doppelhaushalt vorgesehen.
Im Anschluss an die Veröffentlichung des letzten Familienberichts Anfang 2011 haben Sie die Veranstaltungsreihe "Zusammenleben in Berlin" ins Leben gerufen. Was waren Ihre Ziele und haben Sie diese erreichen können?
Sozialberichte erleiden ja oft ein trauriges Schicksal. Einmal erarbeitet stehen sie bei der Übergabe im Scheinwerferlicht und werden dann ad acta gelegt. Das ist in Berlin anders: Schon die Zusammensetzung des Beirats war und ist hilfreich für die Handlungsempfehlungen und die Diskussion. Mit der Veranstaltungsreihe "Zusammenleben in Berlin" tragen wir unseren Teil zur Fortsetzung der Diskussion bei. Und wir freuen uns besonders darüber zu sehen, wie sehr sich die Menschen auch heute noch für die einzelnen Empfehlungen und ihre praktische Umsetzung engagieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
"Zusammenleben in Berlin" - so ist der Familienbericht 2011 des Berliner Beirats für Familienfragen überschrieben. Das überparteiliche Beratungsgremium des Berliner Senats hatte den Auftrag, den Bericht für diese Legislaturperiode zu erarbeiten. Jetzt, acht Monate nach Veröffentlichung des Berichts, ist zur Diskussion des Berichts die Publikation "Die Debatte hat begonnen..." erschienen. Darin wird deutlich, wie die Debatte über die konkreten Handlungsempfehlungen des Familienberichts im Senat, dem Berliner Abgeordnetenhaus, aber auch von Verbänden und Wirtschaft weitergeführt wird. "Zusammenleben in Berlin - Familienbericht 2011" und die neue Publikation "Die Debatte hat begonnen…!" sind kostenlos im Netz erhältlich unter www.familienbeirat-berlin.de.